Immer dieser Knasterbax
hatte, blieb er stehen und überdachte seine
Lage noch einmal. Das Wasser lag glatt und still. Einige Teichrosen blühten
noch. Es war ein friedlicher See. Die Herbstsonne spiegelte sich gelb darin.
Wenn ich hinausschwimme, dachte er mutlos, und mich einfach unter gehen lasse,
dann hat meine Not ein Ende. Warum soll ich mich weiter quälen? Lieber tot sein
als unehrlich und hungrig. Wie im Traum zog er die durchlöcherten Schuhe aus,
ohne daß er es recht merkte, legte er das Räuberzeug ab, und willenlos glitt er
in das Wasser hinein. Kühl umfing es ihn. Gewohnheitsmäßig machte er einige
Schwimmzüge und trieb in den See hinaus. Je weiter er sich vom Ufer entfernte,
desto kälter wurde das Wasser. Und plötzlich schauderte ihn vor der Tiefe.
Er wandte sich um und schwamm
zurück. Nein, er mochte nicht ertrinken. Er wollte sein Leben in die Hand
nehmen und den Kampf mit dem Räuber bestehen. So oder so mußte es ihm gelingen,
mit Knasterbax fertig zu werden.
Er merkte nicht, daß er
beobachtet wurde, daß jemand sein Räuberzeug fortnahm und damit hinter einem
Busch verschwand. Mit langen Zügen schwamm er ans Ufer. Ihm war kalt, und er
lief zu der Stelle, wo er sein Zeug abgelegt hatte.
Das war aber nicht mehr da!
Stattdessen, Siebenschütz
glaubte zu träumen, lag seine Polizeiuniform säuberlich zusammengelegt im Gras.
Ging das mit rechten Dingen zu? Zögernd nahm er die Jacke auf und griff nach
dem Ausweis in der Tasche. Es war seiner, zwar ein wenig verknickt, aber sonst
unbeschädigt.
Nur Knasterbax konnte doch die
Uniform hierhergebracht haben! Wo war der Kerl? Siebenschütz schaute sich um.
Sollte er in den See hinausgeschwommen sein? Unmöglich, dann hätte er ihn
bemerkt. Er mußte woanders stecken. Ganz bestimmt hatte er sein Räuberzeug
wieder angezogen, denn das war ja nicht da. Aber warum in aller Welt hatte er
das getan? Warum wollte jemand lieber in Räuberzeug als in Polizeiuniform
herumlaufen? Das konnte Siebenschütz sich nicht erklären.
Aber um die gute Gelegenheit
nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, schlüpfte er rasch in die Uniform und
verwandelte sich mit jedem Stück mehr in den ehr- und achtbaren Schutzmann
Siebenschütz zurück.
„So“, sagte er, „jetzt soll mal
einer behaupten, ich sei ein Räuber!“
Er zwirbelte seinen Schnurrbart
und schickte sich an, wieder seinen alten Dienst zu tun, der darin bestand, für
Ordnung zu sorgen und Räuber zu fangen.
Unter einem Busch lag
Knasterbax, beobachtete ihn und rieb sich vergnügt die Hände.
„Fühle ich mich wie neues
Mensch in alte Räuberzeug“, sagte er zufrieden. „Ist sich schöner, zu laufen
weg vor Siebenschütz, als zu laufen hinterher.“
Von seinem Versteck aus sah er,
wie der Schutzmann mit festen Schritten an ihm vorbeimarschierte und den Weg in
die Stadt einschlug. Er sah aber nicht mehr, was am Waldrand geschah, und das
war schade, denn es hätte ihm bestimmt viel Spaß gemacht. Dort stießen nämlich
die zwanzig anrückenden Polizisten auf ihren Kollegen. Sie liefen ihm winkend
und schreiend entgegen, sobald sie ihn erblickten, hoben ihn auf die Schulter
und trugen ihn in die Stadt. Alle Leute, die den Einzug miterlebten, klatschten
und warfen Blumen.
Siebenschütz glaubte, sie wären
alle verrückt geworden. Er konnte sich nicht erklären, warum man ihm so viel
Ehre erwies.
Die Kunde von seiner Entdeckung
verbreitete sich schnell. Der Polizeipräsident ließ in aller Eile ein Festessen
richten, türmte die vielen Geschenke mit Hilfe von zwei Kellnern selbst auf dem
Tisch vor Siebenschütz auf und sorgte dafür, daß die Fünftausendmarkprämie des
Sparkassenpräsidenten sofort überreicht wurde.
Der arme Schutzmann begriff
natürlich nicht, was das alles zu bedeuten hatte. Immer wieder versuchte er den
Grund dafür zu erfahren.
„Das muß sicher eine
Verwechslung sein“, sagte er dem Hauptmann, „ich hab das alles nicht verdient.
Ich war nämlich in den letzten Wochen gar nicht in der Stadt.“
Die Beamten lachten über diesen
Witz. Der Hauptmann aber flüsterte dem Präsidenten ins Ohr: „Da sehen Sie, wie
schwer krank er ist! Fängt einen Sparkassenräuber und sagt, er sei gar nicht in
der Stadt gewesen.“
Weil er etwas zu laut
flüsterte, konnte Siebenschütz ihn verstehen, und da war er sofort im Bilde.
Also hatte Knasterbax in seiner Uniform einen Räuber gefangen. Das war wirklich
erstaunlich. Und er, Siebenschütz, bekam dafür einen Orden, eine fette
Belohnung und viele
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