Immer dieser Knasterbax
tippte sich an die
Stirn und verschwand durch ein offenes Tor in den inneren Burghof.
„Weiß ich ja, daß du hast
Handschellen für mich“, sagte er. „Will ich aber nicht haben. Kannst du dir
hängen an Ohr wie Ohrringe oder ziehn durch Nase wie
Tanzbär.“ Damit öffnete er die Tür eines Nebengebäudes und verschwand dem
Schutzmann aus den Augen. Siebenschütz rief ihm noch nach, er sei ein dummer
Esel, der vor seinem Glück davonlaufe, aber das hörte er nicht mehr.
Als die Tür hinter ihm ins
Schloß fiel, befand er sich in der mittelalterlich eingerichteten Gaststätte
der Burg. Er sah sich um und staunte. Über die Waffen staunte er, die an den
Wänden hingen, über die bunten Butzenscheiben, die hohen mit Schnitzwerk
verzierten Stühle und über die blankgescheuerten Tische. Am meisten aber
staunte er über die beiden Kerle, die in eisernen Rüstungen steckten, wie
lebendig aussahen und ihre Hellebarden vor einer Tür gekreuzt hatten, auf der
„Privat“ geschrieben stand.
Die Burg gehörte längst keinem
Ritter mehr. Ein Kaufmann hatte sie vor einigen Jahren erworben, sie für viel
Geld instandsetzen lassen und als Museum
eingerichtet. Von überall her hatte er Waffen, Rüstungen, Bilder und Möbel
gekauft und die Burg damit ausgestattet. Er hatte gehofft, daß viele Leute
kommen und die Burg besichtigen würden. Seine Rechnung war indessen nicht
aufgegangen, die Besucher waren nämlich ausgeblieben. Im ersten Jahr waren nur
85 und im zweiten Jahr sogar nur 74 Gäste gekommen. Der Besitzer hatte lange
darüber nachgedacht, woran das liegen mochte, und war zu der Einsicht gelangt, daß
seiner Burg irgend etwas fehlen mußte, was andere
Burgen besaßen. Aber ihm war nicht eingefallen, was das sein konnte. Probeweise
hatte er schließlich in einem der ehemaligen Wohnräume eine Gaststube
eingerichtet, um seinen Gästen nach dem vielen Treppensteigen und Herumlaufen
eine Erfrischung bieten zu können. Allein, er hatte auch dadurch nicht genügend
Besucher anzulocken vermocht.
In dieser Gaststube stand
Knasterbax nun und wunderte sich. Wunderte sich sehr! Viel Zeit durfte er sich allerdings
nicht dafür nehmen, denn er wußte, daß Siebenschütz jeden Augenblick durch die
Tür treten konnte. Darum grüßte er freundlich, sah sich auffällig um, als suche
er jemanden, und schritt dann schnell durch den Raum und zur Hintertür wieder
hinaus.
Der Wirt war gerade in einem
Nebenraum und bemerkte ihn nicht, die Gäste aber mochten denken, er gehöre zum
Personal. In seiner Uniform sah er aus wie ein Burgführer.
Kaum war er draußen, da betrat
Siebenschütz die Gaststätte. Anfangs war er über die mittelalterliche
Einrichtung genauso verwundert wie Knasterbax, jedoch faßte er sich schnell,
blickte den Gästen an den Tischen prüfend ins Gesicht und verschwand dann auch
durch die hintere Tür.
Knasterbax betrat soeben die
Kemenate.
Und nun begann eine rasende
Jagd. Siebenschütz war wild entschlossen, den dummen Kerl nicht wieder
entwischen zu lassen. Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit sauste er ihm
nach, riß die Tür auf, sah ihn die Treppe hinauflaufen, fegte hinterdrein,
stieß eine leere Rüstung um, sprang über ein hölzernes Geländer, durchwühlte
das in einer Nische stehende Bett, rannte auf der anderen Seite die Treppe
wieder hinunter, flitzte durch die ehemaligen Schlafräume der Burgfräulein,
schoß wieder auf den Hof hinaus, stieg unter Schnaufen auf der engen
Wendeltreppe zum Bergfried hinauf, folgte Knasterbax durch eine kleine Tür auf
die Wehrplatte hinaus, jagte ihm nach, als der Räuber um das Turmrund herum in
die Tür wieder hinein und die Wendeltreppe wieder hinunterlief, durchquerte die
Kapelle, stolperte einen dunklen Gang entlang in die Rüstkammer, fand sich
schließlich in einem feuchten Kerker wieder, wollte ihn schnellstens durch eine
zweite Tür verlassen, stellte fest, daß die verschlossen war, wandte sich rasch
wieder der ersten zu, merkte betroffen, daß auch die sich nicht mehr öffnen
ließ, und begriff voll unbändiger Wut, daß der Räuber ihn abermals überlistet
hatte. „ Knasterbax “, rief er zornbebend, „laß mich
heraus, du weißt nicht, was du tust! Du darfst mich nicht einsperren!“
Schaurig warfen die Gewölbe des
Kellers die Rufe des Polizisten zurück, hohl und angsterregend drangen sie bis
in die entferntesten Winkel, wurden nur ganz allmählich leiser und verloren
sich endlich in Nischen und Nebengängen.
„Was für ein
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