Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
Vom Netzwerk:
über die Grenze von 9.000 Euro, jetzt stand das Gebot bei 9.400. Der Auktionator wartete einen Moment, ehe er die 9.600 aufrief.
    Pachulke hob den Arm. »9.600«, rief er in den Saal.
    Alle Augen wandten sich ihm zu. Die Frau hob die Brille, der Hüne verschränkte die Arme vor der Brust. In der Körpersprache des Türstehers hieß das: Du kommst nicht rein.
    Komme ich aber doch
, dachte Pachulke.
Ich habe einen Hausdurchsuchungsbefehl für ein Tonstudio in New York im Jahr 1957, und ich nehme alle Platten mit, die sich dort befinden
.
    »10.000«, sagte da die alte Dame.
    Pachulke war ihre Stimme sofort unsympathisch gewesen. So quäkig und näselnd, als sei sie nie zufriedenzustellen. Vermutlich war sie verwitwet, weil ihr Mann es nicht mehr ausgehalten hatte mit ihr. Er hatte es vorgezogen, das Zeitliche zu segnen, anstatt jeden Tag diese Stimme zu hören.
    »10.400«, ertönte wieder ihre Stimme, es ging rasant voran.
    »10.600«, hörte Pachulke sich sagen, und ein Raunen ging durch die Reihen.
    Der Mann von hinten rief »10.800« nach vorn.
    »11.000«, sagte Pachulke, und es war still.
    »11.000 zum Ersten«, sagte der Auktionator.
    »11.200«, sagte der Mann.
    »11.400«, hielt die Frau dagegen.
    »11.600«, sagte Pachulke.
    »11.800«, entgegnete die Frau.
    »12.000«, ließ sich der Kleiderschrank vernehmen.
    Mein lieber Mann
. Pachulke wusste nicht genau, ob er so viel dabeihatte. Nein, eigentlich wusste er ganz genau, dass er nicht so viel dabeihatte, aber er wollte diese Platten haben. Er wollte sie alle.
    »12.000 zum Zweiten«, sagte der Auktionator.
    »12.200«, sagte die Frau, und wieder gab es ein Raunen. Der Mann drehte sich zu seiner Begleiterin und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie schüttelte den Kopf, und er machte eine Geste, die ›Nein danke‹ oder einfach nur Hilflosigkeit bedeuten konnte. Der Hüne war raus.
    »12.200 zum Ersten, 12.200 zum Zweiten …« Die Stimme des Auktionators hing im Raum.
    Pachulke hatte einen Überziehungskredit, außerdem war er Beamter und alleinstehend. »12.400«, sagte er.
    »12.600«, sagte die Frau.
    Pachulke bekam weiche Knie. Aber »12.800« sagte er trotzdem, er krächzte es. Egal, es ging hier nicht um einen Schönheitspreis.
    »13.000«, sagte die Frau.
    »13.000 zum Ersten, 13.000 zum Zweiten …«, sagte der Auktionator. Die anderen Gäste hielten den Atem an.
    »13.200«, sagte Pachulke. Er würde seinen Rentenfonds beleihen. Wenigstens hatte er das neue Regal schon angezahlt.
    »13.200 zum Ersten«, sagte der Auktionator, »13.200 zum Zweiten …« Es gab eine kleine Pause. Der Auktionator warf einen Blick zu der alten Frau, aber die schüttelte unmerklich den Kopf. »13.200 zum Dritten und verkauft. Verkauft an den gut genährten Herren in der ersten Reihe. Ich gratuliere.«
    Die Leute klatschten.
    Pachulke sackte in sich zusammen. Er war zum Platzen glücklich, aber wenn er Engine Plink zu Rubinstein einlud, würde es die nächsten zwei Jahre nur Knäckebrot mit Kräuterquark geben.

5
    Der Schlüsselbund klimperte in Bördensens Hand, als er vor der Wohnungstür von Verena Adomeit stand. Der Schlüsselbund war groß, bestimmt dreißig Schlüssel, die meisten mit bunten Gummimützen für die bessere Unterscheidung. Ein Hausmeisterschlüsselbund. Aber die Tote war keine Hausmeisterin gewesen, sondern eine Maklerin. Mitglied im Ring Deutscher Makler, so stand es auf ihren Visitenkarten, die sie in einer kleinen Metallhülle in ihrer Handtasche aufbewahrt hatte. Dort hatte auch ihr Personalausweis zusammen mit den anderen persönlichen Habseligkeiten gesteckt, die jetzt in der Baracke bei den Kollegen auf dem Tisch lagen. Gewohnt hatte die Tote in der Fidicinstraße, Ecke Friesenstraße in einem schönen Altbau. Bördensen lebte auch in einem Altbau, aber schön war was anderes. Trotzdem drückte er sich vor der Arbeit, so gut er konnte. Er hatte das kleinste Überstundenkonto von allen in Pachulkes Team. Dafür hatte er einen vierjährigen Sohn und eine sechs Monate alte Tochter. Und es zog ihn stets nach Haus, um ganz der Papa zu sein. Und der Partner. Der Koch. Der Vorleser. Der Erste Wickelassistent.
    Eine Maklerin. Sie brauchten eine größere Wohnung. Aber brauchten sie einen Makler? Das war ein Dauerthema zwischen Lilly und Bördensen. Sie hatten absolut keine Zeit für die Wohnungssuche. Lilly hatte keine Lust, mit zwei Kindern im Schlepptau durch die Stadt zu hetzen. Und Bördensen war Kriminalbeamter, die Unzuverlässigkeit in Person,

Weitere Kostenlose Bücher