Immer Schön Gierig Bleiben
ohne geregeltes Sozialleben. Der durch Menschenhand herbeigeführte Tod hielt sich nicht an Besichtigungstermine.
Aber wollten sie einem Makler so viel Geld in den Rachen werfen? Konnten sie das überhaupt? Sie suchten ein Häuschen, ein bisschen weiter draußen, aber auch nicht so weit weg wie Tenbrink. Der Chef der Rechtsmedizin lebte in Tegelort, wo sich Dachs und Wildschwein gute Nacht sagten.
Ein Makler. Fuhren sie eben im ersten Jahr nach dem Umzug nicht in die Sächsische Schweiz, Freiklettern ging eh nicht mit der Kleinen. Dafür konnten sie dann ihren Garten herrichten. Bördensen hatte keine Ahnung, wie man einen Garten pflegte, da kam eine große Herausforderung auf ihn zu. Aber erst mal haben, erst mal finden. Und jetzt also die Maklerin ganz privat. Er sperrte die Wohnungstür auf.
So hatte er sich das vorgestellt: hohe Wände, abgezogene Dielen, eine Küche mit blauen Kacheln, so groß, dass man eine Tischtennisplatte hätte darin aufstellen können. Bördensen durchmaß die Räumlichkeiten. Drei Zimmer, natürlich Balkon, das Bad so groß, dass man eine weitere Tischtennisplatte hätte aufstellen können, vielleicht für ein Turnier im Winter. Dazu diverse Kämmerchen und ein begehbarer Kleiderschrank, der größer war als das Bad in Bördensens Wohnung.
Bördensen ging von Zimmer zu Zimmer und überflog die Oberflächen. Nichts, was darauf hingewiesen hätte, dass Verena Adomeit ihren Mörder hier empfangen hätte. Die Wohnung war tipptopp aufgeräumt und wirkte beinahe unbewohnt. Das Bett im Schlafzimmer war frisch bezogen, die Kanten gerade wie eine Eins. Im Wäschekorb fand Bördensen einen Sport-BH, Shorts, ein altes blaues T-Shirt, einen zweiteiligen Schlafanzug aus grauer Seide mit kurzen Hosen, eine teure Stone-Washed-Jeans, die so sauber aussah, dass weder Bördensen noch Lilly sie in diesem Zustand gewaschen hätten. Lilly hätte sie zusammengelegt und in den Schrank geräumt, Bördensen zusammengeknüllt in eine Ecke geworfen. Lilly und Bördensen lebten in derselben Sauberkeitsgalaxie, aber in puncto Ordnung waren sie auch im zehnten Jahr ihrer Beziehung immer noch Lichtjahre voneinander entfernt. Außerdem waren in dem Wäschekorb noch zwei Paar weiße Söckchen und ein Schlüpfer, weiße Seide ohne Spitzen.
Bördensen ging ins Bad. Dort fand er eine kleine Box mit Schminkzeug, Zahnseide, eine elektrische Zahnbürste, teures Duschgel, Badezusatz und diverse Lotionen. Eine Kurpackung für braunes Haar. Eine angefangene Monatspackung der Pille. Lilly hatte das gleiche Produkt benutzt, bevor sie das erste Mal schwanger geworden war. Mit direktem gemeinschaftlichem Vorsatz hatten sie ein Kind gezeugt.
Bördensen sah in den Mülleimer, der unter dem Waschbecken stand. Eine Einwegklinge, Wattebausche, die Verpackung einer einzelnen Aspirin-plus-C-Tablette. Auf der Ablage neben dem Waschbecken lag eine Brille. Bördensen setzte sie auf, und sein Spiegelbild verschwamm. Wenn das Verena Adomeits Brille war, war sie darauf angewiesen, es sei denn … Im Spiegelschrank fand Bördensen eine Packung mit weichen Kontaktlinsen, Stärke 3,5 Dioptrien.
Er ging ins Wohnzimmer auf der Suche nach den privaten Unterlagen der Toten. Die Verwandten mussten benachrichtigt werden, falls es welche gab. Die Dielen federten leicht, dann wurden seine Schritte von einem Langflorteppich in Türkis verschluckt. Am Erkerfenster – das gab es auch – stand ein Schreibtisch, auf dem gerade so ein Laptop und ein Schreibblock Platz gefunden hätten. Darauf lag eine Schreibunterlage. Das Regal an der Wand war weiß. Ganz oben stand ein Keramikobjekt, ein mittelalterlich verwinkeltes Haus, unten rechts eingeritzt
Praha
. Darunter ein Fach mit Romanen aus dem Genre leichter Unterhaltungsliteratur:
Maracujagelee zum Frühstück, Lemon Curd zum Frühstück, Ein Mann zum Frühstück, Verliebt, verlobt, verdaut
. Dazu ein paar Lebensratgeber, Fitness sowie Reiseführer: Prag, Barcelona, Madeira.
In dem Fach darunter stand ein Ordner, der mit
Barbelege privat
beschriftet war, im untersten Fach standen einige Bildbände.
Die Ostsee, Englische Gartenkunst, Lissabon
.
Bördensen griff sich den Ordner. Verena Adomeit hatte wirklich alles abgeheftet. Sie hatte Eigenbelege für den Kauf der täglichen Zeitung und den Bäcker geschrieben. Es gab einen Drogeriebeleg von vorgestern: Putzschwämme, Tampons, Farbglanz-Shampoo für blondes Haar. Bördensen erinnerte sich. Das Shampoo stand im Bad ganz links auf der Ablage neben der
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