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Immortal 3 - Schwarze Glut

Immortal 3 - Schwarze Glut

Titel: Immortal 3 - Schwarze Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Nash
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wahrhaft großes Werk. In Marmor gebannte Genialität.
    Das Thema war recht schlicht: ein Mann und eine Frau, beide nackt. Die Figuren saßen, die Arme der Frau um den Hals des Mannes geschlungen. Die Hand des Mannes ruhte außen an der Hüfte der Frau. Ihre Lippen waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, eingefroren in der atemlosen Ewigkeit, wie sie nur unmittelbar vor einem Kuss existiert.
    Die Statue war ein Werk des Bildhauers Auguste Rodin aus dem neunzehnten Jahrhundert. Schon länger war Kalen ganz versessen darauf gewesen, die Skulptur Der Kuss zu erwerben, hatte sie jedoch erst kürzlich vom Musée Rodin in Paris kaufen können. Die Museumskuratoren hätten ihn hinaus auf die Rue de Varenne werfen sollen, nachdem er ihnen sein Angebot unterbreitet hatte. Vor fünfzig, nein, noch vor zehn Jahren hätten sie es wahrscheinlich auch getan.
    Diesmal jedoch hatten sie sein Geld genommen und ihm sogar angeboten, sich unter dem Rest der Sammlung frei auszusuchen, was er wollte. Angewidert schüttelte Kalen den Kopf. Menschen waren immer schon gierig gewesen, aber in den letzten Jahren war diese Spezies auf einen neuen Tiefpunkt gesunken.
    Langsam umkreiste er die Skulptur. Wenngleich Mann und Frau kurz davor waren, sich ihrer Liebe hinzugeben, hatte dieses Kunstwerk überhaupt nichts Anzügliches. Die Frau strahlte jungfräuliche Unschuld aus. Sie gab ihren Körper in vollkommenem Vertrauen hin.
    Der Mann war weniger rein. Seine Körperhaltung signalisierte erregte Spannung. Er streckte sich über die Frau, als wäre er im Begriff, sie nach hinten zu drücken und mit einem festen Stoß in sie einzudringen. Und dennoch zögerte er, die Hand an ihrer Hüfte, als wollte er noch eine ganze Weile so verharren, bevor er wagte, seine Geliebte richtig zu berühren. Das hatte etwas Ehrfürchtiges. Er begegnete der Frau gleichermaßen ehrerbietig wie liebevoll.
    In seinem langen Leben hatte Kalen viele Frauen gehabt – mehr, als er zählen konnte. Jede von ihnen war willig gewesen und hatte ihm Genuss bereitet. Keine jedoch hatte Gefühle in ihm erregen können, wie sie bei diesem steinernen Paar so offensichtlich waren. Leanna mit ihrer Musenmagie war dem schon nahe gekommen, doch sosehr er es auch versuchte, konnte er ihre Magie nicht gänzlich erfassen. Würde sich etwas daran ändern, wenn er ihrem Wunsch nachkam und ihr ein Kind zeugte?
    Er hatte gehofft, nach dem verstörenden Alptraum im Turmzimmer zur Ruhe zu kommen. Aber das tat er nicht. Mit unverminderter Rastlosigkeit eilte er die fünf Treppen in die Küche hinunter. Dort, inmitten der weißgetünchten Wände und des ganzen Kochgeräts, fand er die einzige Frau, der er vollkommen vertraute.
    Pearl Hornblower stand auf ihrem Hocker vor dem langen Arbeitstisch, die muskulösen Unterarme mehlbestäubt. Ihr graues Haar war unter einer schneeweißen Morgenhaube verborgen, die den Grauschimmer ihrer Haut noch betonte. Die Rüschen ihrer weißen Schürze waren frisch gestärkt und gebügelt, ebenso wie das schlichte graue Kleid, das sie darunter trug.
    Sie blickte auf und verzog mürrisch das Gesicht, als Kalen ihr Reich betrat. Pearls ganze Leidenschaft galt ihrer Arbeit, und dabei störte Kalen sie nur. Das Grantige lag Kalens Haushälterin im Blut. Ihr Vater war ein Gnom, gehörte mithin also jener Spezies an, die sich geradezu fanatisch der Sauberkeit verschrieb, vor allem in ihren Gärten. Pearls Mutter war ein Halbling, entstammte also jenem Volk, das alles und jedes sammelte und katalogisierte.
    Nun zog Pearl die dichten Brauen zusammen. Kalen ahnte, dass die gegenwärtige Verstimmung seiner Haushälterin über die Angst um ihre saubere Küche hinausging. Nach Leannas Besuchen war sie stets so.
    »Aha. Haben Sie Ihre müden Knochen also endlich aus dem Bett gehievt!«, sagte sie.
    »Dir auch einen guten Morgen.«
    Sie stieß einen verächtlichen Laut aus. »Morgen? Ist schon nach Mittag!«
    »Dann wundert’s mich nicht, dass ich Hunger habe.« Er nahm einen Haferkeks von dem Blech neben seiner Haushälterin und bestrich ihn mit Sahnecreme und Marmelade. Pearl kochte und buk ausgezeichnet.
    Nun allerdings schniefte sie ungehalten, und es war klar, dass ihr Stolz mit ihrer Verärgerung rang. Der Stolz gewann. Sie nahm die Hände aus dem Teig vor sich und wischte sie an einem Geschirrhandtuch ab. »Lassen Sie mich Ihnen wenigstens etwas Anständiges zu essen machen!«
    »Ist nicht nötig. Ich muss heute Nachmittag geschäftlich nach Edinburgh. Und heute

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