Immortals after Dark 01 - Unsterbliche Sehnsucht
Wahrheit entsprach, verfügte dieses Wesen über einen Reichtum, den sie selbst nicht besaßen.
»Lass sie doch«, rief Murdoch an der Pforte des Kerkers. Seine Brauen waren zusammengezogen, zweifellos verwirrte ihn das Interesse seines Bruders. Nikolai war noch nie hinter Frauen her gewesen. Als er noch ein Mensch war, hatten sie sich entweder ihm genähert oder er war ohne Frau ausgekommen. Und in Kriegszeiten hatte er keine Zeit gehabt. Als Vampir verspürte er kein Verlangen. Nicht, ehe er seine Braut fand.
Er schüttelte den Kopf über diese wahnsinnige, feydenhafte Kreatur und zwang sich weiterzugehen, obwohl er meinte, sie flüstern zu hören: » Ruf nach mir, General .« Die Härchen in seinem Nacken stellten sich auf.
Er folgte seinem Bruder zu Kristoffs neuem Empfangszimmer. Ihr König starrte aus einem der großzügigen Fenster, dessen Läden in wenigen Stunden bei Anbruch der Morgendämmerung geschlossen werden würden, in die klare Nacht hinaus. Als er sich zu ihnen umwandte, wirkte sein hageres Gesicht erschöpft.
Wroth vermutete, dass es ihm schwergefallen war, andere, gebürtige Vampire – seine eigene Art – zu töten, ganz gleich, wie wahnsinnig sie waren, und ganz gleich, ob sie seinem Onkel Demestriu folgten, der vor Jahrhunderten die Krone unrechtmäßig an sich gerissen hatte. Wroth kannte solche Bedenken nicht. Auch er war erschöpft, jedoch nur aufgrund seiner Verletzungen, und sein Schwertarm war überstrapaziert, nachdem er sich durch die Reihen seiner Feinde geschlagen hatte.
»Konnten Teile der Aufzeichnungen gerettet werden?«, erkundigte sich Wroth ohne große Hoffnungen. Wenn die Vampire der Burg genauso viel Energie auf den Kampf wie auf das Verbrennen verwendet hätten, hätten sie Oblak möglicherweise halten können. Ihre Flucht widerte ihn an. Wenn man sein Heim verteidigte, verteidigte man es bis zum Tod.
Er hatte es getan.
»Nein«, erwiderte Kristoff.
Ohne die Aufzeichnungen würde ihre Ignoranz sie umbringen. Kristoff, der rechtmäßige König, war von Menschen aufgezogen worden, weit entfernt von Demestrius’ Wirkungsbereich. Er hatte jahrhundertelang unter ihnen gelebt, ohne seine wahre Natur aufzudecken, hatte dadurch jedoch nur wenig über die Mythenwelt erfahren. Seine Armee bestand aus menschlichen Kriegern, die er gewandelt hatte, als sie auf dem Schlachtfeld im Sterben lagen, sodass auch sie über keinerlei Kenntnisse verfügten. Bevor Wroth Kristoff wie einen Todesengel über sich hatte stehen sehen, hatte er Vampire für eine Ausgeburt der Fantasie gehalten.
Die Regeln dieser neuen Welt waren komplex und widersprachen oft seiner Intuition. Zudem verfügten sie nur über wenig mehr als Mutmaßungen und das, was sie im Laufe der Jahrhunderte durch schmerzhafte Erfahrung gelernt hatten. Sie waren in einer Art Zwielicht gefangen – nicht menschlich, und doch von allen Faktionen des Mythos gleichermaßen gemieden. Die Wesen der Mythenwelt verbargen sich in den Schatten, flohen aus jedem Landstrich, den Kristoffs Armee besetzte, arbeiteten zusammen, um stets einen Schritt voraus zu sein. Wroths menschliche Erfahrung sagte ihm, dass sie inzwischen einige Informationen hätten sammeln müssen, doch die Realität sah so aus, dass sie sich auf einer vollkommen anderen Ebene zu bewegen schienen. Dieselben Anstrengungen, die seit jeher darauf verwendet wurden, die Mythenwelt vor den Menschen geheim zu halten, wurden darauf verwandt, auch Kristoffs Soldaten im Dunkeln zu lassen.
»Irgendein Zeichen von Conrad oder Sebastian?«, fragte Kristoff.
Wroth schüttelte den Kopf. Er hatte seine Brüder nicht mehr gesehen, seitdem sie gewandelt worden waren, allerdings war ihm zu Ohren gekommen, dass sie in eine Auseinandersetzung mit gebürtigen Vampiren geraten waren. Auch wenn Murdoch und er nicht erwartet hatten, ihre Brüder hier vorzufinden, hatten sie doch gehofft, die beiden könnten sich in den Verliesen der Burg befinden, die sie gemäß ihrer Strategie als Nächstes hatten einnehmen müssen.
»Vielleicht in der nächsten Feste der Horde.«
Wroth nickte, obwohl er es bezweifelte. Er spürte, dass sein jüngster Bruder, Bastian, tot war, und vermutete, dass der Verstand des nächstältesten, Conrad, unerreichbar war, selbst wenn er gefunden werden könnte. Die beiden hatten das ewige Leben, das ihre älteren Brüder ihnen aufgezwungen hatten, nicht gewollt.
Murdoch musterte einen Schnitt in seinem Arm. Die Wunde schien ihm überhaupt keine Sorgen zu bereiten,
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