In allertiefster Wälder Nacht
hat. Ein paar neue, genauer gesagt. Möglicherweise verändern sie das Bild völlig. Er könnte selbst Erkundigungen darüber einziehen, wenn ihm das ein besseres Gefühl gibt. Die Ergebnisse sind großartig.«
Ich nicke und versuche, mir zu merken, was er sagt. Damit ich es auch wirklich verstehen kann, wenn ich mich ein bisschen beruhigt habe. Ich glaube, er will mir sagen, dass Cal nicht stirbt. Oder so was.
»Die neuen Medikamente könnten die Anzahl der Rückfälle, die Cal erleidet, wesentlich reduzieren. Bei manchen Leuten verschwinden sie völlig. Ihm ist das noch nicht klar, aber er ist in einer guten Position. Wir sind noch im Anfangsstadium der Krankheit. Er ist jung. Fit. Wir können so viel mehr tun als uns damals möglich war, als seine Mutter krank wurde.«
Er hält inne, schaut mich an. Ich nicke, damit er weiterredet. Ich bin ruhiger.
»Leider meint er, wenn er sich auf diese Behandlung einlassen würde, wäre er irgendwie kranker, als er glauben möchte. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
Ich nicke.
»Aber die Realität ist: Ohne die Behandlung wird sich sein Zustand verschlechtern. Wir haben hier eine Chance, den Verlauf dieser Geschichte zu verändern.«
Wieder nicke ich. Der Raum wird noch ein wenig heller. Cal hat eine Chance.
»Er hat mich mit der Behandlung anfangen lassen. Wir gehen, sobald die durchgeführt ist, und wir sicher sind, dass er okay ist. Morgen wird er sich nicht so gut fühlen, aber wenn du kannst, dann rede mit ihm. Sorg dafür, dass er begreift, wie wichtig es ist. Es wird Zeit, dass er sich dafür entscheidet, Veranwortung für sich zu übernehmen. Mein Assistenzarzt bespricht morgen alles Weitere mit ihm.«
»Okay«, sage ich. »Ich überzeuge ihn.«
Wenn’s sein muss, werde ich ihm drohen. Vorausgesetzt, er redet nach diesem Nachmittag noch mit mir.
Dr. Williams tätschelt mir das Knie. »Wren, ich hab das Gefühl, wenn irgendjemand zu ihm durchdringen kann, dann bist du das wahrscheinlich.«
Er muss der sehr liebe Papa von jemandem sein. Das oder er ist ein Heiliger. Er drückt mir die eisige Hand.
Ich hole tief Luft und spüre eine seltsame Erleichterung, fast schon ein Hochgefühl, als ob endlich etwas okay sein könnte. Die Schultern hab ich bis unter die Ohren hochgezogen. Ich zwinge sie nach unten, versuche zu entspannen.
Cals Tür geht auf. Die Schwester kommt raus, mit einem Bündel Bettwäsche.
»Er hat geduscht und liegt in einem frischen Bett. Wahrscheinlich schläft er schon«, sagt sie zu Dr. Williams. Mir nickt sie zu. Ich lächele zurück. Ich bin ihr so dankbar für ihre Hilfe. »Wo kann ich das lassen?«
Ich zeige ihr den Weg zum Wirtschaftsraum.
Dr. Williams wendet sich an mich. »Ich hab ihm was gegeben, damit er schlafen kann. Er sagt, er hat nachts nicht durchschlafen können. Und du bist sicher, dass du bleiben kannst?«
»Ich geh nirgendwohin. Ich bin hier, falls er was braucht.«
»Gut.« Er steht auf. »Ich merke, dass du dem gewachsen bist, Wren.«
Sofort überlege ich, ob er vielleicht denken könnte, ich sei dem nicht gewachsen – und ob das hier so was wie umgekehrte Psychologie sein soll.
Ich schaff das.
Das sage ich mir ein paar Mal. Plötzlich fühle ich mich stark. Kämpferisch.
Sie gehen. So leise ich kann, mache ich wie besessen den Rest des Hauses sauber. Ich habe so viel Energie, dass ich geradezu hektisch werde, aber statt mich innerlich darin zu verheddern, lasse ich sie raus und verwandele sie in etwas Gutes.
Als die Küche sauber ist, hole ich ein paar reichlich bespritzte und abgenutzte Kochbücher von einem kleinen Regal neben dem Kühlschrank. Der ist selbst für Steinsuppe zu leer, aber beim Durchblättern der Kochbücher finde ich ein Rezept für Gewürzbrot, das jemand mit Sternchen markiert hat. In der Handschrift einer Frau, Cals Mutter vielleicht, steht Der Hit bei den Jungs am Rand. Ich wühle herum, bis ich finde, was ich brauche, und schmeiße alles zusammen. Der Geruch der Gewürze im aufheizenden Ofen hat was Richtungsweisendes.
Von Zeit zu Zeit schleiche ich mich zu seinem Zimmer und schau rein. Er schläft.
Gerade will ich wieder versuchen, zu Hause anzurufen und zu erklären, was los ist, da fährt ein Auto die Auffahrt entlang.
Autos.
Der Wagoneer. Cals Jeep.
Dad und Zara.
Mit vollen Armen kommen sie aufs Haus zu, der Mond strahlt sie von hinten an. Ich renne nach draußen, ihnen entgegen, bin lächerlich glücklich, dass sie hier sind. Dad bringt Sachen zum Anziehen für mich
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