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In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
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aufschauen.
    Ihr Brief an Patrick hätte mich umgebracht.
    Mein Handy macht sich bemerkbar. Scheint eine SMS zu sein. Mir simst keiner mehr. Ich ziehe ein Kissen aufs Gesicht. Wieder trillert es wie ein böser kleiner Wecker, erinnert daran, wie egoistisch ich eigentlich genau bin. Zu keinem von ihnen hab ich ein Wort gesagt. Patricks Eltern. Emma. Hab nicht angerufen. Nicht ein Mal. Ich konnte nicht. Kann nicht. Sogar Meredith hat mich aufgegeben, aber vorher kam sie noch ein letztes Mal vorbei, um mir zu sagen, wie furchtbar ich war, weil ich nicht sprach, weil ich dichtgemacht hatte. »Du wurdest nicht mal verletzt«, schleuderte sie mir entgegen. »Du bist egoistisch. Und jetzt verlieren wir dich auch noch, deinetwegen.«
    Es gab keine Verabschiedung, als sie weggegangen ist zur Uni.
    Mein Handy piept lauter. Ich recke mich quer übers Bett und greife danach. Tatsächlich, eine SMS . Von meiner Mutter. ALLES LIEBE UND KÜSSE ! So irgendwie aufgekratzt, sieht ihr gar nicht ähnlich. Wahrscheinlich ist das die einzige nicht berufsbezogene SMS , die sie je geschickt hat.
    Ich hab so ein Bild vor Augen, wie all die Leute um mich herum sich verbiegen, um mir zu helfen. Grotesk. Wahrscheinlich sollte ich auch mein Handy wegschmeißen.
    Der Trockner summt und ich lade einen Berg sauberer Sachen auf meinem Bett ab. Heiße Jeans an einem verschneiten Tag. Die einfachen Dinge. Ich ziehe Stiefel und eine der Riesenjacken meines Dads an und mach mich zum ersten Mal, seit ich hergekommen bin, allein in die Stadt auf.

Eine Kleinstadt ist eine Kleinstadt ist eine …
    Ich weiß, ich sollte drüber weg sein. Ich bin ja nicht gefahren an diesem Abend. Ich hab seitdem auch wieder in Autos gesessen. Aber das hier ist ein erstes Mal – allein fahren. Ich sitze in Dads Truck und versuche, mich zu entspannen, lege den Kopf eine Weile aufs Lenkrad, atme tief durch. Dann starte ich und setze rückwärts aus der Scheune. Der Schnee ist kein Problem für dieses uralte Wunder amerikanischer Ingenieurskunst, und ich rutsche und flutsche durch Schneewehen und Kurven bis hoch zur Hauptstraße.
    Wir wohnen nur ein paar Kilometer außerhalb der Stadt, aber auf dem Weg dorthin verändert sich die Landschaft. Bäume und Felsen weichen plötzlich schäbigen kleinen Strandhäusern mit Natursteinfronten und geschmacklosen »Ferienparadiesen« im Stil der Fünfziger Jahre. Alles hängt ein bisschen durch, so als hätte es sich mit einer Zukunft fern der Action abgefunden. Ist mir irgendwie sympathisch.
    Main Street verfügt über all die üblichen Geschäfte, die den Sommergast bezaubern sollen. Eine Hummerbude, ein Café mit karierten Gardinen. Uncle Kippys Old-Timey Candy Shoppe , der im Sommer Eisbecher verkauft, eine kleine Werft, wo Besucher Segeltörns auf einem Schoner buchen können, ein Antiquariat, Leonores Fahrradladen, ein Skateboardgeschäft, Skibekleidung, ein » General Store «, in dem man Duftkerzen und Postkarten erstehen kann und drei Restaurants.
    Am Ende der Main Street, weiter entfernt von der Küste und hinter den Häusern von ein paar Stadtmenschen, stößt man auf die wahre Lebensader der Stadt, die Straße, in der die Fast-Food-Läden, Tankstellen, der Bootsausrüster, der Schnapsladen und ein Supermarkt versteckt werden. Dort parke ich neben dem Reifenlager und geh in den Laden.
    Wie ein normaler Mensch. Heute bin ich ein normaler Mensch.
    Eine Kleinstadt ist eine Kleinstadt ist eine Kleinstadt. Man mag jetzt vielleicht Bio-Gemüse finden, und die Leute starren einen nicht unverhohlen an, aber du brauchst nur in irgendeinen Lebensmittelladen in einer x-beliebigen Kleinstadt zu gehen und kannst damit rechnen, dass du unter die Lupe genommen wirst.
    Ich erspähe einen der Regalbestücker, der im gestreck ten Galopp nach vorn in den Laden rennt, um den Mädels an der Kasse mitzuteilen, dass ich reingekommen bin. Egal. Ich schiebe den klapprigen kleinen Einkaufswagen durch die Gänge. Fülle ihn so hoch auf, dass wir für eine Weile versorgt sind.
    Als ich zahle, packt derselbe Typ meine Sachen ein. Durchschnittliches Aussehen, ungefähr mein Alter. Ganz normaler Typ, mit wahrscheinlich recht normalem Leben.
    Schließlich sagt er: »Soll ich das zu Ihrem Auto bringen, Miss Wells?«
    Miss Wells.
    Er und die Kassiererin wechseln einen flüchtigen Blick. Sie wissen, wer ich bin. Und ich soll das auch wissen. Ich krieg Lust, was echt Abgedrehtes zu tun. Damit sie was zu reden haben. Um dem Familiennamen gerecht zu werden. Weiß

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