In den eisigen Tod
der Träumer auch eine sehr praktische Seite hatte.
Dennoch bereitete der junge Con seinen Eltern allmählich Sorgen. Seine Anfälle träumerischer Geistesabwesenheit schienen sich sogar noch zu häufen, und in der Schule schien er hinter seinem jüngeren Bruder, dem tatkräftigen und fröhlichen Archie, zurückzubleiben. Er wurde ins Internat der Foster’s Naval Preparatory School geschickt, damit er sich dort auf die Aufnahmeprüfung für einen Platz als Marinekadett vorbereiten konnte, und in den Ferien sorgte sein Vater dafür, dass er ordentlich büffelte. Was Scott davon hielt, kann nur vermutet werden. Bekannt ist, dass er seine Initialen in eine der langen Schulbänke schnitzte, ganz gute, aber keine sensationellen Fortschritte machte, beliebt war und – von der Initialenschnitzerei einmal abgesehen – angeblich zu den Jungen mit dem besten Benehmen gehörte, die diese Schule je besuchten.
Am Vorabend seines 13. Geburtstags bestand Scott die Kadettenprüfung und tauschte am 15. Juli 1881 Outlands gegen die strikte Disziplin auf der HMS Britannia , dem Kadettenschulschiff der Marine, das im Fluss Dart vor Anker lag. Er machte sich gleich an die Arbeit und begriff rasch, dass er die sensible, einzelgängerische Seite seines Wesens verbergen musste. Es gibt ein Foto, das ihn als Marinekadetten zeigt – ein junger Mann mit ernsten Gesichtszügen und fein säuberlich gebürsteten Haaren unter der Mütze, der mit einem ganz zarten Anflug eines Lächelns in die Kamera blickt. Mit 150 weiteren Kadetten zusammengepfercht, war er einem Regime unterworfen, das Pünktlichkeit, Präzision und Geistesgegenwart verlangte. Die Strafen für diejenigen, die nachlässig waren und sich nicht konzentrieren oder anpassen konnten, waren streng. Er lernte, in einer Hängematte zu schlafen, und wurde in die Geheimnisse der Seefahrt, einschließlich Navigation, Astronomie, Physik und Geometrie, eingeweiht. Auch die körperlichen Kräfte waren gefordert. Von Jungen in der ersten Klasse wurde erwartet, zur Fockmastspitze hinaufzuklettern, in der zweiten Klasse mussten sie ihren Schneid dadurch beweisen, dass sie schwindelerregende 36 Meter über Deck zu klettern hatten.
Scott fand die Reserven, um sich zu konzentrieren, und kam gut voran, trotz der leidigen Entdeckung, dass er, genau wie Lord Nelson und Kapitän Hornblower, unter der Seekrankheit litt – was ihm sein ganzes Leben Kummer bereiten sollte. Die Familie war entzückt, als er seine Prüfungen bestand und nunmehr als Midshipman eingestuft wurde. Im August 1883 trat er seinen Dienst auf der Boadicea , dem Flaggschiff des Kap-Geschwaders, an.
So zierlich, zart und zurückhaltend, wie er war – bevor er nach Stubbington House ging, hatte der Hausarzt prophezeit, dass er für die Marine zu schmale Schultern habe und zu schmalbrüstig sei –, erschien ihm das Leben an Bord der Boadicea mit ihrer fast 450köpfigen Besatzung wahrscheinlich als ziemlich strapaziös. Mit Sicherheit war es ein schweres Leben. Die wenig verlockende Kost bestand unter anderem aus gepökeltem Rindfleisch, gesalzenem Schweinefleisch, Erbsensuppe, Kohl und Kartoffeln sowie Kakao und harten Keksen.
Als Midshipman verbrachte Scott den größten Teil seiner Zeit damit, Dinge zu erlernen, die für das Kommando eines Kriegsschiffes benötigt wurden. Er hielt auf dem Achterdeck Wache, half die Männer während des Drills zu leiten und war verantwortlich für die Mannschaften, die an Land gingen. Er tat sich schwer mit dem Kommandieren. Auch im späteren Leben sollte ihm die nonchalante Selbstsicherheit seines Rivalen Shackleton abgehen. Für ihn als jungen Offiziersanwärter muss es schwer gewesen sein herauszufinden, wie er sich am besten durchsetzen konnte. Das Bild, das wir von ihm haben, ist das eines ängstlichen und eifrigen jungen Mannes, der seine Schüchternheit und Unsicherheit, so gut er konnte, verheimlichte. Die Marine war nicht gerade der Ort, an dem Schwäche toleriert wurde. Nüchterne Selbstsicherheit und Entschlossenheit waren das Rezept für eine erfolgreiche Laufbahn, und deshalb musste Scott die introspektive Seite seines Charakters verleugnen. Vielleicht begann er aus diesem Grund auch, als junger Mann ein Tagebuch zu führen. Es war ein Sicherheitsventil, das ihm erlaubte, seine Zweifel und Ängste auszusprechen, ohne sich der Lächerlichkeit oder dem Mitgefühl anderer preiszugeben, was er beides verabscheut und womit er sich seine Karrierechancen verdorben hätte. Mit
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