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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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mit kontrollierter Verzweiflung, und schon nach wenigen Minuten waren sie auf dem Freeway in Richtung Norden, und sein Truck nahm zügige Reisegeschwindigkeit auf. »Wir müssen raus aus dieser Stadt«, sagte Araceli. Türme mit rasiermesserscharfen Antennen überragten den Highway, und in jeder Auffahrt, jedem Schnellrestaurant, auf jedem Parkplatz konnte Gefahr lauern: ein Reporter, ein Polizist, ein Grenzschützer, der aus dem Hinterhalt eines solchen städtischen Hohlwegs sprang.
    »Dann fahren wir in die Wüste, nach Osten«, sagte Felipe. »Das ist der schnellste Weg hier raus.«
    »Und was kommt hinter der Wüste?«
    »Die Wüste ist groß. Wenn wir weiterfahren, kommen wir nach Arizona. Nach Phoenix.«
    »Würdest du so weit mit mir fahren?«, fragte Araceli.
    »Überallhin, wohin du willst. So lange du willst. Hinter Phoenix kommt New Mexico. Und dahinter Texas, glaube ich. Und dann, no sé . Vielleicht Tennessee? Ist ein großes Land. Ganz drüben auf der anderen Seite ist Carolina. Carolina del Norte y Carolina del Sur. «
    Felipe schaute auf den Asphalt, die weißen Linien, den Verkehr, der auf ihn zu- und von ihm wegfloss, dann drehte er sich halb um und lächelte Araceli verschmitzt an. Sie traten eine Reise ohne Ziel an, ohne Grenzen, ganz spontan, mit nichts als den Kleidern, die sie am Leib trugen. Araceli nahm an, dass er normalerweise nicht unbedingt Regeln brach oder unnötige Risiken einging. Wahrscheinlich war der Wagen noch nicht abbezahlt. Auch bei der Garderobe ging er kein Wagnis ein; er war ein Mann steter und unveränderlicher Gewohnheiten. Und doch fuhr er weiter. Bald schon waren sie auf einem anderen Freeway und fuhren ostwärts auf einen Ort namens Indio zu – so verkündeten es die grünen Schilder über ihren Köpfen. Felipe sagte, der anstrengende Teil der Fahrt beginne hinter Indio, wenn man auf dem Weg nach Arizona die Mojave-Wüste durchqueren müsse. Doch ehe sie in die Wüste kamen, mussten sie erst noch ein gutes Stück Stadt hinter sich bringen, den gewundenen Strom von Lastwagen und Wohnmobilen, von Cabrios und Kombis, die sich alle sehr langsam vorwärtsbewegten, so als wäre eine Stoßstange mit der nächsten verbunden, eine Polonaise blinkender roter Lichter, die den Kurven des Freeway um die Bürotürme folgte, hinauf ins trockene Gras der Hügel, bekrönt von nektargelben Wohnanlagen. Felipes Klimaanlage funktionierte nicht, also ließ er die Fenster herunter, das Brausen von Wind und Verkehr mischte sich mit dem Dröhnen des Motors, und sie mussten sich schreiend unterhalten. »Ich glaube, wir sollten Wasser kaufen!«, rief Araceli. »Damit wir in der Wüste was zu trinken haben!« Sie hielten an einer Tankstelle, kauften ein und sprangen sofort wieder in den Wagen. Araceli rechnete jeden Moment damit, einen Kaktus zu sehen, doch der Verkehr war zäh und die Metropole endlos, eine Ausfahrt nach der anderen verkündete einen neuen, ihr unbekannten Stadtbezirk – Covina, Claremont, Redlands –, immer mehr Shoppingmalls und Parkplätze, die sich am Rand der Straße erstreckten wie Felder an einem Fluss. Los Angeles wollte sie nicht loslassen; die riesige zersiedelte Fläche hielt sie fest.
    »Das dauert ja ewig!«, rief sie. »Wann kommen wir denn nach Indio?«
    »Una hora más. Diese Strecke fahre ich ein- oder zweimal im Jahr. Um meine Familie in Imuris und Cananea zu besuchen. Manchmal nehme ich meinen Vater mit. Wir fahren nach Phoenix, dann weiter nach Tucson und von da nach Süden, nach Mexiko rein. Ich bin in Cananea geboren, habe ich dir das schon erzählt? Da könnten wir auch hin. Hätte ich nichts dagegen. Das wäre ein guter Platz für einen Neuanfang. Mexiko ist gar nicht so schlecht. Da ist man arm, aber es ist más calmado. «
    Sie dachte über Mexiko nach, über den Scheck in ihrer Tasche. Jenseits der Grenze war das ein kleines Vermögen. Sie könnte ein kleines Geschäft eröffnen oder ein Haus kaufen, hinten einen Grillplatz und den Patio mit Ziegeln gepflastert. Oder sie könnte ein Atelier mit großen Fenstern mieten, die viel Licht einließen, und mit einem Estrichboden, auf den sie Farbe spritzen könnte.
    Andererseits waren da auch noch die Vereinigten Staaten, das ständige Versprechen, noch größere Reichtümer anhäufen zu können, die sanfte Befriedigung, in diesem Land überhaupt die Stellung behauptet zu haben. Sie könnte sich in dieser Stadt namens Phoenix eine Wohnung mieten, wenn sie wollte. Die Stadt lag in einem Wüstental, wo man

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