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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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ohne Klimaanlage nicht überleben konnte, und Araceli überlegte, ob sie an einem Ort ohne Regen, ohne Wolken, ohne Jahreszeiten leben könnte. Gerade hatte sich der stockende Verkehr aufgelöst, sie kamen schneller voran und erreichten die ersten Ausläufer von Indio, und die Landschaft wurde grauer und kalkiger. Sie fuhren an staubigen Trailer-Parks vorbei, wo der Wind braune Sandwolken über den Boden trieb. Ein Salzkrautbusch rollte auf dem Sandstreifen zwischen den Fahrbahnen entlang, und sie richtete sich auf und zeigte ihn Felipe. »Mira, Felipe, es una de esas malas hierbas. ¿Cómo se les llama? Tumbleweed! « Sie war sehr stolz auf sich, dass sie den Namen behalten hatte, und fragte sich, wo und wie sie so ein obskures amerikanisches Wort gelernt hatte. Tumbleweed, die Pflanze, die wie ein Ball durch die Wüste rollt, und genau das hatte auch das Exemplar getan, das sie gesehen hatte: Es war unterwegs in Richtung Arizona, genau wie Felipe und Araceli.
    Ein heißer Wind wehte durchs Fenster, die Hitze der Wüste und des schwarzen Asphalts stieg ins Wageninnere, und Felipe fing an zu schwitzen, die Tropfen rannen ihm am Hals hinunter ins T-Shirt. Sie griff zwischen ihre Füße nach einer Wasserflasche, machte sie auf und gab sie ihm. Man hätte meinen können, sie habe ihm einen Rosenstrauß überreicht. Selbst die kleinste Aufmerksamkeit von mir macht ihn glücklich – er muss verliebt sein. Aber wann wird er mich küssen?
    »Wie weit ist es nach Carolina?«, fragte sie.
    »Sehr weit. Vielleicht vier oder fünf Tage.«
    »Würdest du fünf Tage mit mir fahren?«
    »Ja. Natürlich.«
    »Machst du dir keine Sorgen?«
    »Worüber?«
    »Erwischt zu werden. Von der migra .«
    »Nein. Ich bin eingebürgert.«
    »In den USA ?«
    »Ja. Habe letztes Jahr meine Papiere gekriegt. Durch meinen Onkel. Hat zehn Jahre gedauert.«
    »Aber ich habe keine Papiere, und du könntest Ärger kriegen, weil du mir hilfst. Du brichst das Gesetz.«
    »Und?«
    »Und du willst trotzdem mit mir weiterfahren. Mir bei der Flucht helfen?«
    »Ja.«
    Es dauerte einen Augenblick, bis sie dieses Wunder begriffen hatte und es sich wirklich anfühlte. Ja, man sah es an seinem heiteren und zufriedenen Blick, der auf die Straße vor ihnen gerichtet war. Das war der Blick eines Anstreichers nach einem Tag fehlerloser Arbeit. Er war ein großer, kräftiger Mann mit dichtem Haar, das sehr sexy aussah, und er gehörte ihr. Er würde für sie sogar das Gesetz brechen.
    »¡Qué romántico!« , rief sie und lachte, und er lachte ebenfalls, etwas gedämpft und nervös.
    »Hinter Phoenix müssen wir uns entscheiden«, sagte er. »Da können wir zwei Richtungen nehmen. Wir können weiter nach Osten fahren, nach Texas oder nach Carolina. Oder wir können nach Süden fahren, Richtung Sonora und nach Nogales und Imuris – meine tierra . Wenn wir nach Süden fahren, kommen wir nicht mehr nach Norden zurück, denn da gibt es Kontrollen von la migra .« Er wandte sich zu ihr und fragte: »Wo willst du hin?«
    »A mí me da igual« , sagte sie, denn sie konnte sich ihre Zukunft auf beiden Wegen vorstellen.
    Bald lag die letzte menschliche Siedlung hinter ihnen, und sie rasten über eine riesige, offene Ebene, wo der Sand die Farbe und Struktur von Mehl hatte, gesprenkelt mit Buschskeletten, in der Ferne gesäumt von rötlich braunen Bergen, felsig und leblos. »Wir sind in der Wüste«, rief Araceli. Die Straße war eine gerade Linie geworden, die flüssig flimmernd hinterm Horizont versank.
    »Das ist die Mojave«, rief Felipe zurück.
    Mit ihnen nach Osten fuhren Sportwagen in leuchtenden Primärfarben, die an ihrem Pick-up vorbeisausten wie niedrig fliegende Raketen, und große Familienlimousinen, in denen Menschen Bücher lasen oder auf kleine Bildschirme schauten, alle Insassen hatten es kühl und bequem hinter getöntem Glas. Es waren Menschen aller amerikanischen Hautfarben, und sie alle strahlten wohlhabendes Selbstbewusstsein und Vorfreude aus: Die Straße gehört ihnen, dachte Araceli, und sie wissen es sogar zu schätzen. Es gab auch riesengroße Fahrzeuge, so groß wie kleine Häuser, mit Nummernschildern in allen möglichen Farben, die verkündeten, dass ihre Besitzer im ZAUBERLAND wohnten oder im FERIENLAND oder dass sie ins SPORTLERPARADIES unterwegs waren.
    Die Ebene aus Sand und Buschwerk schlug Wellen wie ein riesiger Wasserbottich oder ein Ozean, und die Bergketten standen wie Inseln in der Ferne. Eine Stunde verging schweigend, während sie

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