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In den Ruinen von Paris

In den Ruinen von Paris

Titel: In den Ruinen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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würden, ehe er aus dem rostigen Metallschrank ohne Türen herauskroch und sich vollends zur Oberfläche hinaufarbeitete. Nein, dachte er ironisch, während er sich gewohnheitsmäßig nach rechts und links umsah, ehe er das letzte, deckungslose Stück Weg zur Festung hinüberzulaufen begann, es lohnte sich wirklich nicht, immer wieder hierher zu kommen. Was aber ganz und gar nichts daran änderte, daß er es immer wieder tat und auch immer wieder tun würde. Jean konnte selbst nicht sagen, was ihn so an diesem Ort faszinierte. Sicherlich - da war die Festung mit ihrem summenden, blitzenden Innenleben, ein Ort voller flackernder, bunter Lichter, voller fremdartiger Geräusche und voller faszinierender Dinge, von denen er nur die allerwenigsten wirklich verstand. Sie war ein Teil einer fremden, untergegangenen Welt, ein Stück Vergangenheit, jene Vergangenheit, von der seine Eltern manchmal erzählten und die seine Altersgenossen nur noch von Bildern und Büchern her kannten. Manchmal fragte sich Jean, ob er von allen Bewohnern der Freien Zone vielleicht der einzige war, der einen Teil dieser Vergangenheit jemals wirklich zu Gesicht bekommen hatte. Und manchmal wünschte er sich nichts mehr, als einen der anderen mit hierher zu nehmen und sein Geheimnis mit ihm zu teilen. Aber natürlich würde er das nicht tun. Die Gefahr war einfach zu groß. Wenn man in der Freien Zone erfuhr, was er bei seinen regelmäßigen Ausflügen hierher entdeckt hatte - Ausflüge, die zwar verboten, aber von Barler und den anderen stillschweigend geduldet wurden —, dann würden sie ihn nicht mehr gehen lassen. Und das konnte er nicht riskieren. Er hatte das deckungslose Stück überwunden und duckte sich hinter den verkohlten Rest einer Mauer. Mit klopfendem Herzen sah er sich um. Die Insel gehörte zwar noch nicht zum Dschungel, aber sie gehörte auch nicht mehr zur Freien Zone, sondern war eine Art Niemandsland, das von keinem bean-sprucht, sehr wohl aber von Bewohnern beider Flußufer betreten werden konnte. Mehrmals in den vergangenen Jahren war er auf irgendwelche Monster gestoßen, die das ausgetrocknete Flußbett überwunden hatten, und einmal hatte er sogar eine Ameise gesehen. Die Gefahr aus der Luft war nicht zu unterschätzen. In unregelmäßigen Abständen patrouillierten Gleiter über dem Flußbett, die auf alles schossen, was sich bewegte. Im Moment jedoch schien alles ruhig zu sein. Zwischen den verkohlten Ruinen regte sich nichts, und auch der Himmel über der Stadt und dem Dschungel blieb leer. Trotzdem verharrte Jean eine ganze Weile und spähte aufmerksam in die Runde, ehe er es wagte, sich zu erheben und die letzten zwanzig Schritte zur Festung hinüberzulaufen. Selbst ihm, der ganz genau wußte, wonach er zu suchen hatte, fiel es schwer, sie zu erkennen. Als er sie gefunden hatte, vor nunmehr gut vier Jahren, war sie unter Schutt und Trümmern begraben und von wucherndem Unkraut bedeckt gewesen. Die Trümmer hatte er nach und nach beiseite geschafft, denn er hatte rasch begriffen, daß die meisten der empfindlichen Ortungs- und Suchgeräte nicht zerstört, sondern nur von den Schuttmassen geblendet waren. Das Unkraut hatte er gelassen, wo es war, und später sogar begonnen, in der näheren Umgebung junge, kräftige Pflanzen zu sammeln, die er rings um die Festung eingepflanzt hatte, so daß sie mittlerweile unter dünnen, zähen Ranken verborgen war. Wie immer, wenn er sich ihr näherte, betrachtete er sein Werk kritisch und hielt aufmerksam nach einer Lücke, nach einem verräterischen Funkeln von Metall oder Glas Ausschau, entdeckte aber nichts. Er konnte zufrieden sein. Selbst wenn die Ameisen hierher kamen, mußten sie an ihr vorüberlaufen, ohne sie auch nur zu sehen. Jean bückte sich, bog vorsichtig das Gewirr aus dornigen Zweigen beiseite, das den Eingang verbarg, und zerrte mit den Zähnen den schweren Lederhandschuh von der rechten Hand, während er mit der linken die Ranken zurückhielt. Sorgfältig plazierte er die gespreizten Finger der rechten auf den von einem dünnen, roten Ring eingerahmten Kreis neben der Tür und hörte das vertraute Klicken, als die Festung seine Handabdrücke identifizierte und ihm den Zutritt freigab. Jean hatte fast ein Jahr gebraucht, um die Funktionsweise dieser Tür zu ergründen und sie so umzuprogrammieren, daß sie nur noch ihm den Zutritt gestattete. In der in dunkelgrüner Tarnfarbe gestrichenen Flanke der Festung erschien ein dünner, haarfeiner Spalt, der

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