Das Mysterium der Wölfe: Die Reise zu Kyrion (German Edition)
Die Reise zu Kyrion
Ich liebe es einfach nur Musik zu hören. Okay, es gibt viele Leute, die das von sich behaupten, aber ich meine es wirklich so. Musik ist meine einzige Möglichkeit aus der Realität zu entfliehen und das würde ich gerne für immer. Einfach weg von hier. Auf und davon. Irgendwie klingt das ja etwas egoistisch meiner Familie gegenüber, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich sowieso noch nie richtig dazugehört. Mir ist schon lange klar, dass ich ein Adoptivkind bin. George und Jane haben es lange abgestritten, aber schließlich konnten sie es nicht mehr geheim halten. Die Tatsache, dass ich den beiden nicht im Geringsten ähnlich schaue und auch keine Charaktereigenschaften von ihnen aufweise hat mich eben stutzig gemacht. Vor einem halben Jahr haben es mir die beiden nun endlich erzählt. Seitdem spreche ich sie auch nur noch mit Vornamen an. Worte wie "Mama" oder "Papa" kommen mir im Bezug auf George und Jane nur noch wie Lügen vor.
Manchmal denke ich darüber nach, ob ich nicht etwas zu hart zu den beiden bin, aber besser so, als wenn ich sie den lieben langen Tag anlüge. Ich bin eben ein ehrlicher Mensch. So habe ich auch gleich allen gesagt, dass ich nicht bemitleidet werden will, nur weil ich meine richtigen Eltern nicht kenne. Das habe ich von Anfang an klargestellt und das war auch gut so. Die erste Woche, nachdem es die meisten Menschen in meiner Umgebung erfahren hatten, war der reinste Horror. Allein die Blicke mit denen mich alle ansahen. Diese ganze Falschheit ging mir tierisch auf den Wecker. Als ob ich nicht gewusst hätte, dass viele meiner Schulkollegen schon vor der offiziellen Bekanntmachung meiner Adoption hinter meinem Rücken darüber geredet hatten. Aber, wie gesagt, mein Aussehen und das von George und Jane machten es einfach zu offensichtlich.
Die beiden sehen sich übrigens sehr ähnlich. Es könnten Geschwister sein. Dass zwei sich so ähnliche Menschen zueinander finden und glücklich miteinander sind ist eine ziemliche Seltenheit, aber bei den beiden war es offensichtlich perfekt. Beide haben blonde Haare, hellbraune Augen und allgemein einen sehr hellen Hauttyp. Ich hingegen bin eher von der dunkleren Sorte. Meine Haut hat immer einen gebräunten Teint, ohne dass ich viel in die Sonne gehen müsste und meine Haare sind dunkelbraun. Das einzige, was nicht wirklich in das Gesamtbild passt sind meine blauen Augen. Meine blitzblauen Augen mit dem dünnen dunkelblauen Rand außen rum.
Alles in allem bin ich also das genaue Gegenteil meiner Eltern, die ja eigentlich gar nicht meine Eltern sind, und als ob das nicht schon reichen würde bin ich auch noch das Gegenteil ihrer Tochter, die ich nie gerne "Schwester" nannte. Ich mag Alicia nicht sonderlich. Sie war mir schon immer zu übertrieben und zu aufgesetzt. Mit ihren 15 Jahren ist sie ziemlich genau ein Jahr jünger als ich, aber sie benimmt sich meiner Meinung nach wie eine 3-Jährige. Alicia besitzt ein wirklich enormes Selbstbewusstsein. Egal, was auch immer sie haben will, sie kriegt es. Wenn es sein muss, auch mit Gewalt. Sie sieht Jane sehr ähnlich und ich müsste lügen, wenn ich jetzt sagen würde, sie sei hässlich, aber sie ist ein schönes Gefäß ohne Inhalt. Immer auf der Jagd nach den neuesten Trends passt sie sich dauernd einer bestimmten Gruppe an, zu der ich noch nie dazugehören wollte. Alles zusammengefasst sind wir von Grund auf verschieden und als auch sie erfuhr, dass ich adoptiert bin, zeigte sie mir immer mehr wie wenig sie mich eigentlich mag oder besser gesagt, wie sehr sie mich hasst.
Aber was soll's. Es gibt schlimmere Schicksalsschläge für ein 16 jähriges Mädchen, als dass einen die Schwester nicht mag, oder man erfährt, dass man adoptiert ist. Zum Beispiel, dass der einzige Mensch, den man niemals ersetzen könnte und dem man bedingungslos vertraut, von einem Auto erfasst wird und von heute auf morgen nicht mehr da ist. Leider muss ich zugeben, dass das wieder genau auf mich zutrifft. Es ist schon hart, wenn einen die beste Freundin verlässt. Ich habe mit ihr alles geteilt. Nicht nur materielle Dinge, sondern auch Sorgen, Ängste und Kummer. Nun ist schon ein Jahr vergangen seitdem sie gestorben ist und ich habe bisher noch niemanden getroffen, der ihren Platz nur ansatzweise einnehmen könnte. Natürlich habe ich gute Freunde. Ich unternehme fast jeden Tag etwas mit ihnen und lache viel. Ohne die ganzen Hintergrundinformationen scheint mein Leben fast perfekt und ich sollte
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