In den Waeldern des Nordens - V3
klein.«
Opee-Kwan bekräftigte diese Voraussetzungen in überzeugtem Ton. »Und ruderten diese Männer mit langen Paddeln?«
Nam-Bok lächelte. »Es waren gar keine Paddel da«, sagte er.
Die Münder blieben offen, und ein langes Schweigen trat ein. Opee-Kwan lieh sich die Pfeife von Koogah und machte ein paar nachdenkliche Züge. Eine der jüngeren Frauen kicherte erregt und zog sich dafür zornige Blicke zu.
»Es waren keine Paddel da?« fragte Opee-Kwan sanft, indem er die Pfeife zurückgab.
»Der Südwind stand hinter ihnen«, erklärte ihm Nam-Bok.
»Aber der Wind treibt nur langsam.«
»Der Schoner hatte Flügel – so.« Er entwarf eine Zeichnung von Masten und Segeln im Sande, und die Männer scharten sich darum und studierten sie. »Der Wind frischte auf«, und zur Veranschaulichung ergriff er die Ecken vom Schal seiner Mutter und spannte ihn auf, bis er wie ein Segel schwoll. Bask-Wah-Wan schalt und wehrte sich, wurde jedoch ein ganzes Stück den Strand hinuntergeweht und landete hilflos auf einem Stapel Treibholz. Die Männer grunzten klug und verständnisvoll, Koogah aber warf plötzlich sein graues Haupt hintenüber.
»Ho! Ho!« lachte er. »Ein verrücktes Ding, dies große Kanu! Ein ganz verrücktes Ding! Ein Spielzeug für den Wind! Wohin der Wind geht, geht es auch. Kein Mann, der darin reist, kann im voraus den Strand nennen, wo er landen wird, denn er geht immer mit dem Wind, und der Wind geht irgendwie, aber keiner weiß wohin.«
»So ist es«, fügte Opee-Kwan ernst hinzu. »Mit dem Winde gehen ist leicht, aber gegen den Wind muß man schwer kämpfen, und diese Männer mit dem großen Kanu hatten ja keine Paddel und konnten daher nicht kämpfen.«
»Sie brauchten nicht zu kämpfen!« rief Nam-Bok ärgerlich. »Der Schoner ging auch gegen den Wind.«
»Und was, sagtest du, ließ den Sch-Sch-Schoner gehen?« fragte Koogah und trippelte vorsichtig über das fremde Wort.
»Der Wind«, lautete die ungeduldige Antwort.
»Der Wind ließ also den Sch-Sch-Schoner gegen den Wind gehen?« Der alte Koogah grinste ganz offensichtlich Opee-Kwan an, und während das Lachen ringsum wuchs, fuhr er fort: »Der Wind weht gleichzeitig sowohl von vorn wie von hinten. Das ist ganz einfach. Das verstehen wir, Nam-Bok. Das verstehen wir ganz deutlich.«
»Du bist ein Narr!«
»Wahrheit fällt von deinen Lippen«, antwortete Koogah demütig. »Ich habe zu lange gebraucht, um zu verstehen, und es war ja ganz einfach.«
Aber Nam-Boks Antlitz war düster, und er sprach einige schnelle Worte, die die andern nie zuvor gehört hatten. Beinschnitzerei und Fellschrapen begannen wieder, aber er schloß die Lippen dicht über der Zunge, der man nicht glauben konnte.
»Dieser Sch-Sch-Schoner«, fragte Koogah unerschütterlich, »er war wohl aus einem sehr großen Baum gemacht?«
»Er war aus vielen Bäumen gemacht«, knurrte Nam-Bok kurz. »Er war sehr groß.«
Er versank wieder in finsteres Schweigen, und Opee-Kwan stieß Koogah an, der mit schlaffem Erstaunen den Kopf schüttelte und murmelte: »Das ist sehr seltsam.«
Nam-Bok biß an. »Das ist noch gar nichts«, sagte er überlegen. »Da solltest du erst den Dampfer sehen. Was das Sandkorn gegen die Bidarka und die Bidarka gegen den Schoner, das ist der Schoner gegen den Dampfer. Dazu ist der Dampfer aus Eisen gemacht. Ganz und gar aus Eisen.«
»Nein, nein, Nam-Bok!« rief der Häuptling. »Wie kann das sein? Eisen geht doch immer unter. Ich habe einmal ein eisernes Messer von dem Häuptling des nächsten Dorfes erstanden, und gestern glitt mir das Messer aus der Hand und fiel tief, tief ins Meer. Alle Dinge haben ihr Gesetz. Nie geschieht etwas gegen das Gesetz. Das wissen wir. Und außerdem wissen wir, daß alle Dinge derselben Art dasselbe Gesetz haben und daß alles Eisen dies Gesetz hat. So nimm denn deine Worte zurück, Nam-Bok, damit wir dich in Ehren halten können.«
»Es ist so«, behauptete Nam-Bok. »Der Dampfer ist ganz aus Eisen und sinkt doch nicht.«
»Nein, nein, das kann nicht sein.«
»Ich hab’ es mit meinen eigenen Augen gesehen.«
»Das ist gegen die Natur der Dinge.«
»Aber sage mir, Nam-Bok«, unterbrach Koogah aus Furcht, daß die Geschichte nicht weitergehen würde, »sage mir, wie diese Männer ihren Weg übers Meer finden, wenn es keine Küste gibt, nach der sie steuern können.«
»Die Sonne zeigt ihnen den Weg.«
»Aber wie?«
»Zur Mittagszeit nimmt der Häuptling des Schoners ein Ding, durch das seine Augen nach
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