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In den Waeldern des Nordens - V3

Titel: In den Waeldern des Nordens - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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und Frauen sind weggezogen, manche, um mit den Pellys, manche, um mit den Lachsen, und die meisten, um mit den weißen Männern zusammen zu leben. Ich bin sehr alt und sehr müde, und da es zu nichts führt, gegen das Gesetz zu kämpfen, bin ich, wie du sagst, Howkan, gekommen, um das Gesetz zu suchen.«
    »O Imber, du bist wahrlich ein Tor«, sagte Howkan.
    Doch Imber träumte.
    Der Richter mit der vierkantigen Stirn träumte ebenfalls, und seine ganze Rasse erhob sich vor ihm in einem mächtigen Phantasiegebilde, seine eisenbeschlagene, gepanzerte Rasse, die Gesetzgeberin und Weltschöpferin unter den Geschlechtern der Menschen. Wie im Morgenrot sah er sie hinter finsteren Wäldern und düsteren Meeren tagen, in blutrot flammendem Triumph, und den dunkelbeschatteten Hang hinab sah er den blutroten Sand in die Nacht tropfen. Und in allem sah er das Gesetz, das mächtige, unbarmherzige, unabänderliche und stets gebieterische, größer als die Menschenstäubchen, die es erfüllten oder von ihm zermalmt wurden, wie es auch größer war als er, dessen Herz jetzt nach Frieden verlangte.
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Wie vor alters zog die Argo...
    Es war im Sommer 1897, als Unruhe in der Familie Tarwater entstand. Großvater Tarwater war nach einem Jahrzehnt der Unterjochung und Unterdrückung wieder einmal ausgebrochen. Diesmal war es das Klondikefieber. Das erste und einzige Symptom solcher Anfälle war Gesang. Er sang nur ein Lied, und auch von dem konnte er nicht mehr als vier Verse der ersten Strophe. Und die Familie wußte, daß ihn die Füße juckten und daß ihm die alte Tollheit im Hirn krabbelte, wenn er sein heiseres, brüchiges Falsett erhob und sang:
    »Wie vor alters zog die Argo,
    Kann uns keiner heut’ verwehren
    Auszuziehen, tum-tum-tum,
    Um das Goldne Vlies zu scheren.«
    Zehn Jahre zuvor hatte er das Lied nach der Melodie des kirchlichen Lobgesangs gesungen, als ihn das Fieber gepackt hatte, nach Patagonien zu ziehen und Gold zu graben. Die ganze zahlreiche Familie hatte sich ihm widersetzt, aber sie hatte eine schwere Zeit mit ihm gehabt. Als nichts seinen Entschluß erschüttern konnte, hatten sie ihm Rechtsanwälte geschickt mit der Drohung, ihn zu entmündigen und in der staatlichen Irrenanstalt einzusperren – eine vernünftige Maßregel einem Mann gegenüber, der vor einem Vierteljahrhundert alles bis auf zehn Morgen mageren Bodens eines Gutes in Kalifornien verspekuliert und seitdem auch nicht viel mehr Scharfsinn in Geschäften bewiesen hatte.
    Die Anwendung der Rechtsanwälte bei John Tarwater glich der Anwendung eines Senfpflasters, denn seiner Meinung nach waren es von allen Menschen gerade diese, die ihm seinen ausgedehnten Besitz entrissen hatten. Zu der Zeit, als er das Patagonienfieber hatte, genügte der Gedanke an ein so drastisches Mittel allein, um ihn zu kurieren. Er bewies schnell, daß er nicht verrückt war, indem er das Fieber abschüttelte und darauf einging, nicht nach Patagonien zu ziehen.
    Hierauf bewies er, wie verrückt er in Wirklichkeit war, indem er unaufgefordert seiner Familie die zehn Morgen zu Tarwater Flat, einschließlich Haus, Scheuer, Wirtschaftsgebäude und Wasserrechte, überschrieb. Ebenfalls übertrug er ihnen die achthundert Dollar, die er auf der Bank hatte, das lang gesparte Wrackgut seines vernichteten Vermögens. Hierin sah die Familie jedoch keinen Grund, ihn in die Irrenanstalt zu schicken, was ja unweigerlich seine löblichen Absichten durchkreuzt hätte. »Großvater ist sicher schlechter Laune«, sagte Mary, seine älteste Tochter, selbst schon Großmutter, als ihr Vater das Rauchen aufgab.
    Alles, was er für sich behalten hatte, war ein Gespann alter Pferde und ein einziges Zimmer in dem überfüllten Hause. Da er versicherte, niemand Dank schulden zu wollen, übertrug man ihm ferner die Aufgabe, zweimal wöchentlich die Post der Vereinigten Staaten von Kelterville über die Tarwater-Berge nach Old Almaden zu bringen – einer sporadisch bearbeiteten Quecksilbermine im Viehland in den Bergen. Mit seinen beiden alten Pferden beanspruchten die beiden wöchentlichen Fahrten seine ganze Zeit. Und in den zehn Jahren hatte er, ob Regen oder Sonnenschein, nie eine Fahrt versäumt. Und ebensowenig hatte er es auch nur ein einziges Mal unterlassen, allwöchentlich die Bezahlung für seine Beköstigung in Marys Hand zu legen. Diese Beköstigung hatte er während der Erholung von seinem Patagonienfieber verlangt und genau bezahlt, obwohl er seinen Tabak hatte aufgeben müssen,

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