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In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Eigentümer des Palmenhaines in einem Baumwipfel Palmwein abzapfte, zufällig blickte er hinunter, und da der König in demselben Augenblick hinaufsah, begegneten sich ihre Augen. Sofortige Flucht rettete den unfreiwilligen Frevler, aber während des Restes der Regierungszeit des Herrschers mußte er sich verstecken und verbarg sich bei Freunden in abgelegenen Winkeln der Insel. Nakaeia verfolgte ihn ohne Unterlaß, wenn auch vergeblich, und die Palmen, die die Tat verursacht hatten, wurden rücksichtslos niedergelegt. Das war das Ideal weiblicher Reinheit auf einer Insel, wo reife Jungfrauen nackt umhergingen wie im Paradiese. Und doch fand der Skandal seinen Weg in Nakaeias wohlbehüteten Harem. Er war damals Eigentümer eines Schoners, den er als Erholungsstätte benutzte, und wohnte an Bord, wenn das Schiff vor Anker lag. Dorthin befahl er eines Tages ein neues Weib. Sie gehörte zu denen, die ihm vorbehalten waren, das heißt, wie ich vermute, daß er verheiratet war mit ihrer Schwester, denn der Ehemann einer älteren Schwester hat Anspruch auf die jüngeren. Alle Vorbereitungen wurden getroffen, sie kam herbei, gesalbt, mit Blumen geschmückt, beladenmit feinen Matten und den Familienjuwelen, zur Hochzeit, wie ihre Freunde glaubten, zum Tode, wie sie selbst genau wußte. »Nenne mir den Namen des Mannes, und ich werde dich verschonen«, sagte Nakaeia. Aber sie war verschlossen und schweigsam und rettete ihren Liebhaber. Die Königinnen erdrosselten sie zwischen den Matten.
    Nakaeia war gefürchtet, aber es scheint nicht, daß man ihn haßte. Taten, die für uns wie Morde aussehen, trugen für seine Untertanen das ehrwürdige Gesicht der Gerechtigkeit, seine Orgien machten ihn populär, die Eingeborenen sprechen noch heute mit Hochachtung von der Festigkeit seines Regiments, und selbst die Weißen, denen er sich lange widersetzte, und die er fernhielt, gaben ihm den Namen eines vollkommenen Gentleman im nüchternen Zustande, wie die stehende Südseephrase lautet.
    Als er auf dem Totenbett lag, ohne Nachkommen zu haben, rief er seinen nächstältesten Bruder, Nanteitei, zu sich, hielt ihm eine Rede über die Politik eines Königs und sagte ihm warnend, er sei für einen Herrscher zu schwach. Die Warnung wurde zu Herzen genommen und eine Zeitlang nach dem Muster Nakaeias regiert. Nanteitei schaffte die Wachen ab und ging allein mit einem Revolver in einem Lederbeutel umher. Um seine Schwäche zu verbergen, hüllte er sich in finsteres Schweigen; man konnte den ganzen Tag zu ihm reden, ihm gute Ratschläge geben, ihn tadeln, ermahnen und ihm drohen – alles blieb unbeantwortet. Die Zahl seiner Weiber war siebzehn, viele von ihnen waren reiche Erbinnen, denn das königliche Haus war arm, und die Heirat war damals ein Hauptmittel, den Thron zu befestigen.Nakaeia beschäftigte seinen Harem für sich selbst, Nanteitei verdingte ihn an andere. Damals baute die Firma Messrs. Wightman einen Pier mit einer Veranda am Nordende der Stadt. Das Mauerwerk war die Arbeit der siebzehn Königinnen, die dort wie Fischerknechte Sklavendienste verrichteten und im Wasser wateten; aber der Mann, der die Dachdeckerarbeiten verrichtete, durfte nicht anfangen, bevor sie fertig waren, damit er nicht etwa zufällig hinunterschauen und sie sehen könne.
    Das war vielleicht das letzte Auftreten der Haremsarbeiterinnen, denn schon hatten sich hawaiische Missionare in Butaritari niedergelassen, Maka und Kanoa, zwei tapfere, kindliche Männer. Nakaeia wollte ihre Lehren nicht, er war vielleicht eifersüchtig auf ihre Anwesenheit, da er aber doch menschliches Empfinden besaß, hatte er eine gewisse Vorliebe für die beiden. In seinem Hause erschlug er mit eigener Hand vor den Augen Kanoas drei Seeleute von Oahu, indem er auf ihrem Nacken kniete, um sie zu erstechen, und bedrohte den Missionar, falls er dazwischenträte, aber er verschonte ihn nicht nur, sondern rief ihn später, als er geflohen war, zurück mit Ausdrücken der Hochachtung. Nanteitei, der schwächere Mann, geriet immer mehr und mehr unter ihren Einfluß. Maka, ein fröhlicher, liebenswürdiger, aber in seiner Art sehr energischer Mann, gewann steigenden Einfluß auf den König und trug bald den Sieg davon. Nanteitei trat mit dem königlichen Hause in aller Öffentlichkeit über, und mit einer Strenge, die von liberalen Missionaren verworfen wird, wurde der Harem sofort aufgelöst, eine Tat von schwerwiegender Bedeutung. Der Thron war jetztverarmt, sein Einfluß gebrochen, die

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