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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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Polizisten zusammen.
    »Ich wollt ihm doch nur helfen, die Katz zu fangen«, hatte die Bet angeblich gesagt. »Dann bin ich halt rauf aufs Dach.«
    Natürlich stimmte das so nicht, das wusste sogar ich. Denn mir war ja alles wieder eingefallen. Der Pudschek, wie er auf dem Dach herumkletterte. Auf unserem Dach. Und ich stand an der Dachluke und dachte, was für ein Blödsinn. Die Katz springt doch einfach zur Dachluke rein, wenn die Bet nur einmal ihren breiten Hintern wegnimmt.
    Aber gesagt hatte ich nichts. Ich hatte nur zugesehen, wie die Bet den Pudschek am Arm gepackt und gerissen und geschrien hatte. Dass er für die greißliche Wild sogar die stinkerte Katz vom Dach holt. Und mit der greißlichen Wild hatte sie nicht mich gemeint oder meine Großmutter, sondern meine Mutter, die schon einige Zeit weg gewesen war. Ich konnte mich sogar plötzlich erinnern, dass ich das sehr seltsam fand. Denn Mutter würde niemals erfahren, was der Pudschek für ihre stinkerte Katze getan hatte. Und dafür dann bei einem Orkan auf einem Dach herumzuklettern war schon etwas Besonderes.
    Ich hatte hinterher ein richtig schlechtes Gewissen gehabt. Weil ich doch hätte sagen sollen, dass die Katze immer durch die Dachluke springt. Dass ich sie schon ganz oft hereingelockt hatte. Dass man sie sogar gar nicht mehr locken musste, sondern dass es schon reichte, wenn man die Dachluke aufmachte und einfach wegging. Bei dem Sturm hätte ich das wahrscheinlich nicht gedurft, damit’s die Luke nicht wegreißt. Aber den Pudschek hätte es auch nicht wegreißen müssen.
    Ich hatte meiner Großmutter kurz vor dem Gottesdienst gebeichtet, dass ich mich jahrelang schuldig gefühlt hatte. Dass ich trotz Verdrängung dieses ungute Gefühl bis zum heutigen Tag gehabt hatte, ließ ich weg.
    Aber Großmutter hatte nur gesagt: »So ein Schmarrn. Was kragelt er auch am Dach umeinander, wenn er Marcumar nimmt. Da wirst jetzt du dran schuld sein, wenn zwei so g’spinnerte Leut uns aufs Dach steigen. Des hätt a G’sunder ned überlebt. Aber wennst Blutverdünner nimmst, dann musst dich halt zamreißen.«
    Und nicht auf jedes Dach steigen, das einem gerade in den Sinn kam. Und irgendwie war das auch wieder wahr.
    Es war so richtig Weihnachten geworden und wie jedes Jahr viel wärmer als all die schönen alten Weihnachten vor meiner Geburt. Es gab wie üblich keinen Schnee.
    Gleich würden wir der Kathl über den Weg laufen. Die würde sagen, fröhliche Weihnachten. Was gibt’s bei euch zu essen?
    Und Großmutter würde sagen: Wiener und Kartoffelsalat. Der zieht schon seit heute morgen. Wenn ich heimkomm, dann würz’ ich noch mal nach. Dann fall’n die Würstln ned so ins G’wicht.
    Dann würde die Langsdorferin stehen bleiben und seufzen, ja, ja. Jedes Jahr des Gleiche.
    Und die Kathl würde sagen. Ja. Und jedes Jahr werden die Wiener fader.
    Der Loisl ging an uns vorbei, mit einem breiten, fröhlichen Grinsen im Gesicht. Er gab Großmutter die Hand und schüttelte sie heftig. »Fröhliche Weihnachten«, sagte er, ohne ein Lallen in der Stimme. Großmutter hielt jedoch deutlich die Luft an, als sie der alkoholgeschwängerte Atem traf. Er hatte anscheinend gefeiert, weil endlich die Mörderin hinter Schloss und Riegel saß und er keine Angst mehr haben musste. Mir schüttelte er auch noch die Hand. Mir wurde wie üblich schlecht, als er mich ansah. Seine Pupillen zitterten von hier nach dort und konnten nicht still stehen. Vor allen Dingen hatten seine Pupillen eine Fähigkeit, die ich noch bei keinem anderen Menschen gesehen hatte: Sie bewegten sich unabhängig voneinander. Kein Wunder, dass einem davon schlecht wurde.
    »Tststs«, sagte Großmutter, als der Loisl zielstrebig davonging. »So ein bsoffenes Waagscheidl. Und das am heiligen Weihnachtstag. Der schämt sich auch nicht.«
    Immerhin wusste ich jetzt, dass er mich nie für eine Mörderin gehalten hatte. Er hatte Angst vor der Bet gehabt. Wieso der Depp dann nicht zur Polizei gegangen war, fragte ich mich erst gar nicht. Mit den Pupillen würde ihn ja ohnehin keiner ernst nehmen. Aber man konnte dem Loisl einfach nicht böse sein. Schließlich hatte er extra, damit die Polizei auf die richtige Spur kam, der Bet die blutige Schürze in die Mülltonne gesteckt. Wenn das mal nicht ein toller Hinweis war. Schade, dass das keiner verstanden hatte.
    »Fröhliche Weihnachten«, sagte ich zum Troidl und schenkte ihm ein richtiges Lächeln. Das hatte ich ihm wahrscheinlich noch nie gewünscht, und

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