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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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kleinen ausgetretenen Weg hinters Haus. Ich folgte ihr zornig. Hinterm Haus gab es noch mehr Rosenkohl und noch jede Menge Grünkohl. Den aß in unserem Dorf nur die Bet, sonst niemand. Kein Wunder, dass sie so war! Wenn man den ganzen Winter nur Rosenkohl aß, musste man ja bösartig werden! Sie steckte den letzten Rosenkohl in ihre Kittelschürze und warf den Strunk auf den Kompost.
    »Die Langsdorferin sieht eh nix mehr. Des wird euch nix helfen«, antwortete sie triumphierend.
    Das wird uns nichts helfen?
    »Des glaubt euch doch eh keiner, dass die Langsdorferin die Orgel hochkommt!« Sie drehte sich zu mir, hob etwas das Kinn. »Und den Orgelschlüssel habt s’ auch g’habt.«
    Wir? Wir hatten den Orgelschlüssel gehabt? Gefunden, wollte ich sagen, aber vor Zorn blieb mir die Luft weg.
    Wir sahen uns wieder eine Weile an. Mir war so heiß vor Wut. Wahrscheinlich war sie jeden Nachmittag auf der Polizeidienststelle und gab gute Tipps zur Ergreifung der Wild’schen Mörderbande.
    Sie kam einen Schritt auf mich zu und zischte: »Des Alibi von der Langsdorferin, des kannst vergessen!«
    Ich holte tief Luft, um ihr meine Meinung in maximaler Lautstärke kundzutun, als dieser Geruch in meine Nase kam. Der Geruch ihres Wintermantels. Es war nur ein Hauch, denn sie trat wieder einen Schritt zurück. Aber das reichte.
    Ich kam mir vor wie in einem lebendigen Puzzle. Fast ganz zusammengesetzt, nur zwei Teile fehlten noch. Die lagen unter dem Tisch. Wenn man sie aufhob, ging alles plötzlich rasend schnell. Man musste nicht ausprobieren und drehen und wenden, sondern man steckte sie einfach hinein.
    Der Geruch ihres Mantels. Genau so hatte er vor zwölf Jahren gerochen. Nach Mottenpulver. Als hätte sie ihn nicht richtig gelüftet, sondern aus einem alten muffigen Schrank genommen und angezogen. Sie hatte neben mir gestanden, an der offenen Dachluke. Der Wind hatte geheult. Und neben mir hatte die Bet geschrien. Ich hörte richtig ihre keifende Stimme, anklagend, verzweifelt, bissig. Giftig. Aber weshalb? Was sie geschrien hatte, hatte ich schon längst vergessen. Sie wollte, dass der Pudschek vom Dach ging. Sie hatte auf meine Mutter geschimpft. Dass sie ihre Katze da gelassen hat. Und dass der Pudschek ihre Katze retten wollte. Jedenfalls hatte sie etwas gesagt, das auch mich zornig werden ließ. Und dann war das Gefühl in meinem Bauch. Dieses ganz ungute Gefühl, als hätte ich etwas falsch gemacht. Aber ich war doch nur neben der Bet gestanden und hatte geguckt . . .
    Der Pudschek hatte sich ganz langsam über das Dach geschoben. Vorsichtig. Vorsichtig. Ich hatte hin und wieder die Augen zugemacht, damit ich nicht sah, wenn er runterfiel. Dann hatte ich aber nur umso mehr den muffigen Geruch von Bets Mantel in der Nase. Das war fast noch grauenhafter als der Gedanke, der Pudschek könnte abstürzen. Das war, als würde man in einem alten, muffigen Schrank sitzen und nie mehr herauskommen.
    »Du hast die Orgel nicht gehört«, sagte ich.
    Sie sah mich regungslos an.
    »Die Orgel war so laut, die musste man hören.« Wieso hast du nicht nachgeschaut?, wollte ich fragen. Aber plötzlich wusste ich es. Ich wusste, wieso der Mörder alle Register gezogen hatte. Wieso die Bet nicht in die Kirche gegangen war. Und eigentlich auch das mit dem Gebiss der Kreiter Mare.
    Das war schon immer mein Problem gewesen. In manchen Dingen war ich unglaublich langsam. Ich verstand die Sache erst dann, wenn sie mich direkt ansprang. Wie jetzt zum Beispiel.
    Da stand also die Bet mit einem großen Messer vor mir, und ich verstand, wieso der Max damals in der Apotheke so komisch geguckt hatte.
    Die Rosl hatte gesagt: »Der Wanninger hat alles g’wusst.« Und die Bet hatte ganz aufgeregt gerufen, dass der Wanninger nichts gesehen hatte.
    Ich war damals so auf die Bratwürste fixiert gewesen, dass ich nicht kapiert hatte, dass die Bet überhaupt nicht an die Bratwürste dachte. Sondern an die Sache damals auf unserem Dach.
    Und dann hatte sie noch gesagt: »Das hat er g’meint.« Also hatte sie ursprünglich etwas falsch verstanden. Sie hatte den Wanninger falsch verstanden. »Ich habe dich gesehen«, hatte der Wanninger wahrscheinlich gesagt, und sie hatte dabei an etwas anderes gedacht. Nicht beim Bratwürstlbraten. Sondern . . . Bei was konnte man die Bet schon sehen? Wie sie dem Pudschek Steinchen aufs Grab warf?
    Während ich das Messer ansah, wusste ich alles wieder. Die Bet, die gekeift hatte: »Nur wegen der greißlichen Wild, der

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