In seinem Bann
kein Mafioso, Ann-Sophie. Warum bist du nur so misstrauisch?«
Ich hob beide Augenbrauen. »Ich hoffe, dass du darauf nicht ernsthaft eine Antwort erwartest.«
Er grinste immer noch. »Also gut. Ich verspreche dir, anständig zu sein und nicht schon im Flur über dich herzufallen.«
»Ich nehme dich beim Wort. Einen Aufzug, der dich auf dumme Gedanken bringen könnte, gibt es bei mir im Haus übrigens auch nicht.«
Dann stieg Ian aus und half mir aus dem Wagen. Verblüfft registrierte ich, dass mein roter Suzuki Cappuccino bereits im Hof stand.
»Die Autoschlüssel sollten in deinem Briefkasten liegen«, erklärte Ian, der meinem Blick offenbar gefolgt war.
»Ah«, war alles, was mir dazu einfiel.
Kapitel 5
Ich wohnte im dritten Stock eines Hauses mit nicht allzu schön restaurierter Stuckaturfassade, aber immerhin war es ein Jahrhundertwendebau und keine der später in die Häuserzeile integrierten Bausünden der 1950er oder 1970er Jahre.
Als wir die ausgetretene Treppe hinaufstiegen, war ich aufs Neue fasziniert von Ian Reeds Kondition. Während ich zwischen dem zweiten und dem dritten Stock gewöhnlich meine Waden zu spüren begann und mein Gang eine Idee langsamer wurde, war sein gleichmäßig federnder Schritt der eines Athleten.
»Es ist nicht gerade die Präsidentensuite des Grand Reed«, warnte ich ihn vor.
»Gott sei Dank nicht noch eine davon«, entgegnete er scherzend.
Als ich aufschloss, saßen Filou und Coco schon wie ein samtpfötiges Empfangskomitee hinter der Tür und begrüßten uns lautstark.
»Darf ich vorstellen? Coco und Filou.«
Ich war überrascht als Ian in die Hocke ging, um sie zu streicheln und ich war noch verblüffter, als sie es sich gefallen ließen. Mehr noch, meine divenhafte Coco war offenbar ganz aus dem Häuschen und schnurrte laut und vernehmlich.
Meine beiden Mitbewohner waren gewöhnlich nicht eben für ihre überschäumende Gastfreundschaft bekannt und besonders Fremde hatten es meist nicht leicht, die Herzen meines eingeschworenen Katzenpaares zu gewinnen.
Aber Ian machte alles richtig. Geduldig ließ er sie an seiner schönen Hand schnuppern, machte sich quasi mit ihnen bekannt, ehe er sie zu streicheln begann. Und das tat er nicht irgendwie, sondern genauso, wie es meine beiden Genießer liebten. Er kraulte Cocos spitze silbrige Ohren und Filous weiche Halspartie.
»Du magst also Katzen?« fragte ich, obwohl das eigentlich offensichtlich war.
»Ich liebe Katzen. Ich hatte selbst mal eine. Aber das ist sehr lange her.«
»Und du hattest nie das Bedürfnis, dir wieder eine anzuschaffen?«
»Nein. Der Verlust war damals zu schmerzlich und außerdem würde sich eine Katze natürlich auch nicht mit meinem Lebensstil vertragen.«
»Wie alt warst du, als dein Kätzchen gestorben ist?«
»Ich weiß nicht, wann Bombay starb. Meine Großmutter hat ihn weggegeben als ich zu ihr ziehen musste. Da war ich sechs.«
»Sie hat ihn weggegeben?« fragte ich entsetzt.
Ian nickte und zuckte gleichzeitig mit den Achseln.
»Sie wollte keine Tiere in ihrem Haus. Es war schon schlimm genug, dass sie mich und Bethany bei sich aufnehmen musste. Aber so hatten es meine Eltern testamentarisch verfügt. An Bombay hatten sie leider nicht gedacht.«
Ich ließ mich auf dem grell orangenen und stark ramponierten Panton-Phantom nieder, das mir als Telefonbänkchen diente.
»Ich habe das von dem Autounfall gelesen. Aber ich wusste nicht, dass du noch so klein warst.«
»Das konntest du auch nicht wissen. Schließlich lege ich Wert darauf, dass diese Tatsache nicht in Berichten, Interviews oder Wikipedia-Einträgen überstrapaziert wird. Ich habe kein Interesse daran, irgend geartetes öffentliches Mitleid zu erregen.«
»Es tut mir trotzdem sehr leid, Ian«, sagte ich beklommen.
»Schon gut, Ann-Sophie. Das ist ewig her und ich erinnere mich kaum noch an meine Eltern. Außerdem hatte ich ja noch Bethany.«
»Deine Schwester?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe keine Geschwister. Bethany war meine kreolische Nanny und sie ist für mich bis heute das, was einer Familie am nächsten kommt.«
Er erhob sich schwungvoll und auch ich stand auf.
»So, nun genug der alten Geschichten.«
Ich war noch wie benommen von dem, was er mir eben erzählt hatte, doch Ian schien das Thema einfach so abgehakt zu haben.
Er betrachtete meinen winzigen Flur so konzentriert, als handele es sich um ein künstlerisches Environment und ich wurde ehrlich gesagt schon ein bisschen nervös, als
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