1402 - Das Vampir-Puzzle
Mallmann schaute auf die Axtschneide, an der noch das Blut klebte.
Hinter ihm befand sich das Gartenhaus mit dem schiefen Dach, aber der Blutsauger drehte sich nicht um. In Gedanken vertieft, blieb er stehen und dachte daran, welch einen tiefen Fall er letztendlich erlebt hatte. Er war nicht endgültig besiegt, aber das lag nicht an ihm.
Jemand hatte ihm geholfen. Aus eigner Kraft hätte er es nie geschafft. Und dass er sich auf einen Helfer hatte verlassen müssen, war für ihn eine Demütigung, denn er war es gewohnt, seine Pläne allein durchzusetzen.
Nichts mehr.
Zu vieles hatte sich geändert, denn ihm war eine mächtige Feindin erwachsen, die seine ehemalige Vampirwelt für sich und ihre Helferinnen in Besitz nehmen wollte.
Assunga, die Schattenhexe!
Wenn er ihren Namen hörte, dann drehte er fast durch. Dann war für ihn die Schmerzgrenze überschritten. Dann konnte er nicht mehr normal denken und wurde von einem wilden Hass überschwemmt.
Er sah auch ein, dass sie ihm in einigen Dingen überlegen war, und so konnte er froh sein, einen Helfer gefunden zu haben.
Ausgerechnet ein Mensch hatte ihn gerettet und kein Schwarzblüter, doch bei Saladin, dem Hypnotiseur, verwischten die Unterschiede.
Es passte ihm nicht, aber er musste sich fügen und mit Saladin zusammenarbeiten.
Das Blut seines Opfers hatte ihn gesättigt. Einige Reste leckte er noch aus den Mundwinkeln weg, dann drehte er sich langsam um.
Sein Blick glitt über den verwilderte Garten hinweg und erreichte dann ein anderes Ziel.
Es war ein Gartenhaus mit einem schiefen Dach, das bei einem neuerlichen Sturm sicherlich ganz abgetragen werden würde. In dieser Bude wartete Saladin auf ihn. Der Hypnotiseur hatte es nicht für nötig befunden, ihm in den Garten zu folgen. Die Aufnahme der Nahrung war eine Sache, die nur Mallmann anging.
Der düster gewordene Himmel hing wie ein nasses Tuch über dem Land. Er dunkelte immer mehr. Der starke Wind schaufelte kalte Polarluft heran. Es roch nach Frost, und es war auch möglich, dass es ein letztes Mal Schnee gab. Der Winter hatte noch längst nicht aufgegeben.
Altes Laub, das in der Kälte gefroren war, knisterte unter den Füßen des Vampirs, als er auf die Bude zuging. In seinem Kopf war im Moment kein Platz mehr für irgendwelche Gedanken. Er fühlte sich wie fremd bestimmt, und wenn er an die Zukunft dachte, dann sah er für sich keine Perspektive. Es sei denn, er dachte an das Versteckspiel, das ihm bevorstand.
Die Hütte hatte auch an der Rückseite einen schmalen Eingang.
Mallmann drängte sich hindurch und betrat das Versteck, in dem sich die Schatten gesammelt hatten. Es war nicht finster, aber die Luft schien wie graue Vorhänge im Raum zu schweben.
Saladin wartete auf ihn. Er saß auf einem Stuhl und rauchte ein Zigarillo. Als er den Umriss des Vampir an der Tür sah, fragte er: »Gestattest du, dass ich das Licht einschalte?«
»Licht?«
Saladin kicherte. »Eine Kerze.«
»Das ist mir egal.«
»Gut.« Der Hypnotiseur riss eine Zündholz an. Er führte die Flamme durch den Rauch seines Zigarillos auf einen Kerzendocht zu, und das Feuer fand neue Nahrung. Dann drückte er die Hälfte des Zigarillos mit dem Absatz auf dem Boden aus.
Mallmann hatte sich inzwischen gesetzt. Er schaute über den Tisch hinweg, und das besondere Zeichen, das für ihn so typisch war, trat an der Stirn scharf hervor.
Es war das D!
Ein blutroter Buchstabe. Wie eingraviert in seine Haut, die recht hell schimmerte.
Die Kerze stand auf dem Tisch. Sie war von Mallmann ebenso weit entfernt wie von Saladin, und ihr Licht traf beide Gesichter. Das des Hypnotiseurs schimmerte blank. Es war ein Gesicht, vor dem sich die meisten Menschen fürchteten. Völlig glatt, ohne ein einziges Haar, was auch für den Kopf galt, der wie ein runder Spiegel wirkte.
Ein sehr schmaler Mund, keine Augenbrauen, aber Augen, in denen sich alle Kälte der Arktis zu vereinigen schien. Und trotzdem gab es so gut wie keinen Ausdruck in ihnen.
Auch Saladin trug dunkle Kleidung. Nur hatte er noch seinen Mantel angelassen. Aus den Ärmellöchern schauten die Hände mit den langen Fingern hervor, und niemand sah ihm an, was wirklich in ihm steckte und wozu er fähig war.
Er besaß Fähigkeiten, von denen viele Menschen nur träumen konnten. So war er in der Lage, sich von einem Ort zum anderen beamen zu können. Er beherrschte die Gabe der Teleportation, die ihm allerdings nicht angeboren war. Er hatte sie durch ein Serum erhalten, das
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