In seinem Bann
mir ernsthaft Sorgen gemacht.«
»Entschuldige, das war nicht meine Absicht, Kiki. Du kennst meine Nachlässigkeit mit dem Handy-Akku. Und es ging mir einfach nicht so gut gestern.« Ich zwang mich zu einem Lächeln.
»Dir geht's auch heute nicht so gut, Ann. Du weißt, dass ich das sehe.« Ihre wachen grünen Künstleraugen waren im Analysemodus.
Dennoch machte ich eine wegwerfende Handbewegung.
»Lass uns über etwas anderes reden. Wie geht die Ausstellungsplanung voran?«
»Du weißt schon, dass du mich genau das Gleiche schon vorhin am Telefon gefragt hast?«
»Aber wir haben doch nur ganz kurz drüber gesprochen«, gab ich zerknirscht zurück.
»Ich gebe ja zu, dass ich gern über meine Arbeit mit dir rede, typisch Künstler-Narzisst eben. Aber diesmal kommt dein Ablenkungsmanöver nun wirklich zu fadenscheinig daher. Außerdem warst du erst am Mittwoch bei mir im Atelier. Ich möchte jetzt endlich erfahren, wie dein Date mit dem Milliardär war.«
»Es war -.« Ich richtete meinen Blick äußerst konzentriert auf den eingeschweißten Karamellkeks, den ich einfach nicht aus seiner Verpackung bekam.
»Interessant. Nett«, beendete ich mein primitives Satzgefüge.
»Gib mal her.« Schneller als ich gucken konnte, hatte Kiki mir den Keks weggenommen und die Folie mit ihren kurzen Fingernägeln aufgerissen. Dann gab sie mir den ausgepackten Keks zurück.
»Und jetzt erzähl mir, wie es wirklich war, Ann. Was ist an diesem Abend passiert?«
Ich holte tief Luft.
»Ich habe dir doch erzählt, dass wir im Grand Reed waren. Mit Aperitif in der Lounge und einem Menü von einem französischen Sternekoch und einem Cocktail an der Bar.«
»Ann, bitte fang jetzt nicht auch noch an, mir die Speisefolge aufzuzählen. Du benimmst dich wirklich kindisch. Wie war er ? Was hat der Mann mit dir gemacht?«
Bei dieser Frage musste ich unweigerlich schlucken.
»Er -.« Ich überlegte einen Augenblick. »Er war anders als erwartet.«
»Wie anders? Nicht wie ein aalglatter, schmieriger Großkapitalist?«
Da war sie wieder, Kiki die Kommunistin.
»Tut mir leid, Kiki. Ich kenne nicht so viele Großkapitalisten persönlich, um entsprechende Vergleiche anstellen zu können. Er war charmant, sehr lässig, smart, irgendwie unkonventionell, trotzdem äußerst distinguiert.«
»Und jetzt verlassen wir mal die Allgemeinplätze, Ann. Du warst mit ihm im Bett, das sehe ich dir doch an der Nasenspitze an.«
Ich hätte mich fast an meinem Cappuccino verschluckt.
»Kannst du mir verraten, woran du das jetzt wieder festgemacht hast?« fragte ich, nachdem ich mich von dem ersten Schock erholt hatte.
»Das, mein Schatz, sieht jeder, der keine Tomaten auf den Augen hat. Du müsstest dir mal zugucken. Schon diese elende Fummelei mit dem Keks, dann das zeitschindende Cappuccino-Geschlürfe, das Fingernägel-Trommeln. Und ich setze noch einen drauf, Ann: Ich lehne mich ganz weit aus dem Fenster und mutmaße anhand deiner Gesichtsfarbe und deiner generellen Gemütsverfassung, dass es eher suboptimal gelaufen ist.«
Und dann begann ich zu schluchzen.
Einen Moment lang sagte Kiki nichts und sah mich nur verwirrt an. Dann trat die Erkenntnis in ihre grünen Augen.
»Ach herrje, du hast dich in ihn verliebt. Entschuldige, Ann. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Manchmal bin ich ein echtes Trampeltier.«
Kiki rückte ihren Stuhl näher zu meinem und nahm mich in den Arm. Ich schniefte kurz und wischte mir dann unwirsch mit dem Handrücken Augen und Wangen trocken.
Sie schob mir ihr Glas mit hausgemachter Zitronenlimonade hin.
»Trink erst mal einen Schluck. Dann putzt du dir die Nase und wenn du so weit bist, erzählst du mir alles.«
»Okay.«
Ich erzählte ihr, wie ich mich an jenem Abend Stück für Stück in Ian Reed verliebt hatte. Ich erzählte ihr von der immensen Widersprüchlichkeit seines Wesens, von seiner imponierenden Selbstgewissheit und seinen Selbstzweifeln, was das Zwischenmenschliche anbelangte, von einem Mann, der Milliarden besaß und doch aus dem Koffer lebte, ständig unterwegs, ständig auf der Flucht, vielleicht vor sich selbst. Und ich erzählte Kiki, dass ich mit Ian den besten Sex meines Lebens gehabt hatte. Natürlich ließ ich auch einiges weg. Die Geschichte mit dem Vuitton-Koffer ebenso wie die Details mit den Huren und den Handfesseln. Und dann kam ich zu dem traurigen, demütigenden Schluss meiner Geschichte.
»Also doch ein Arschloch«, kommentierte Kiki trocken in ihrer gewohnt pragmatischen
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