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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Montag  
     
    Alle sagen, dass es nichts Gutes bedeutet, wenn man in einem Restaurant sitzt und dort eine in Plastik eingeschweißte Speisekarte gereicht bekommt, auf der über hundert durchnummerierte Gerichte zu finden sind. Das riecht nach hastiger herzloser Zubereitung, kann unmöglich alles frisch sein und so weiter. Noch viel schlimmer ist es allerdings, wenn man am Herd eines solchen Restaurants steht und dieses Zeug kochen muss. Du stehst da, kriegst laufend Bestellzettel reingereicht, und damit du überhaupt eine Chance hast hinterherzukommen, schmeißt du einfach wahllos irgendwelche Ess-Sachen in die riesige Pfanne vor dir, streust ein paar beliebige Gewürze drüber und kippst das Ganze auf den Teller, sobald es ein bisschen heiß ist.  
    So habe ich es jedenfalls gemacht. Mir war nicht wohl dabei. Mit jeder Minute wuchs die Angst. Früher oder später mussten die empörten Gäste in die Küche gestürmt kommen und brüllen: »Ich hatte die 103 mit Reis, aber das hier ist die 96. Mit Nudeln!« Stattdessen erschienen aber nur immer wieder die Köpfe der beiden Restaurantmanager in der Durchreiche. Sie zwinkerten mir aufmunternd zu, die Gäste aßen und bestellten eifrig weiter und der Rubel rollte.  
    Der Einzige, den an dieser Situation etwas störte, war ich. Ich hüpfte durch die heißen Küchenschwaden, warf blindlings Sachen in die Pfannen und schaffte es gerade so, nicht in Panik zu geraten. Die kam dann aber auf dem Heimweg. Ich schleppte mich durch die menschenleere Torstraße und hörte auf einmal ein Rumpeln in meinem Rücken. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass zwei gigantische Felsbrocken hinter mir her rollten. Beide nur eben ein bisschen schneller als ich, aber es war klar, dass sie mich irgendwann einholen würden.  
    Ich träume immer so ein Zeug, bevor die Arbeitswoche losgeht. Wenn ich Sonntagabend ins Bett gehe, schlafe ich schon mit eingezogenem Kopf ein. Ich weiß genau, was kommt. Immer irgendwas mit Stress, mit Verdammt-was-mache-ich-eigentlich-Hier?-Gefühlen und einem zwillingsförmigen Unheil am Ende. Schon Stunden, bevor mein Wecker klingelt, bin ich hellwach und grübele für den Rest der Nacht herum. Diese Träume lassen einen so leicht nicht los. Selbst jetzt, um 8:53 Uhr mitten im Montags-Fußgängergewühl am Rosenthaler Platz, denke ich noch darüber nach. Und das, obwohl die Deutung ja eigentlich mal wieder ganz klar ist. Ich sollte mich lieber mit dem, was vor mir liegt, befassen. Zum Beispiel mit meiner Arbeit und dem Termin, den ich jetzt gleich …  
    » AAAAAARGH !«  
    Heiße stechende Schmerzen, ganz plötzlich. Müsste ich blind raten, würde ich tippen, dass mir ein durchgeknallter Jesus-Sekten-Jünger einen dicken Nagel in den Fußrücken hämmern wollte. Gerade, als ich erkenne, was wirklich die Ursache ist, kommt auch schon das nächste Unheil.  
    » UUUUUUMPF !«  
    Es reicht. Ich werde zum Hulk. Was es genau ist, was ich da rumschreie, weiß ich nicht, aber es fühlt sich gut an. Erst nach und nach wird meine Stimme wieder normal, die Blitze vor meinen Augen lassen nach, mein Mund hört auf, im Zehntelsekundentakt nach Luft zu schnappen, und ich nehme wieder Reize aus meiner Umgebung wahr. Vor mir steht eine Frau mit einem glänzenden braunen Pferdeschwanz, hellem Businesskostüm, Rollkoffer und Pumps mit hohen Absätzen. Sie spricht mit mir.  
    »Sie haben einfach nur schlechte Laune, was?«  
    »Ich habe keine schlechte Laune. Sie haben schlechte Laune!«  
    »Hallo? Ich bin Ihnen nur aus Versehen auf den Fuß getreten. Und weil Sie so geschrien haben, habe ich Ihnen anschließend vor Schreck meine Handtasche in den Dings gehauen. Sicher nicht angenehm für Sie, aber …«  
    »Nicht angenehm? Sie an meiner Stelle würden sich jetzt am Boden wälzen und jammern wie drei italienische Stürmer im gegnerischen Strafraum.«  
    »Aber mich deswegen vertrottelte Schlumpfliese und blinde Bratwurst zu nennen ist schon …«  
    »Mehr als angemessen.«  
    »Und komplett nichtsnutzige Bürotrine auch?«  
    » Komplett nichtsnutzige Bürotrine habe ich nicht gesagt.«  
    »Haben Sie.«  
    »Niemals. So was sage ich nicht.«  
    »Doch, junger Mann, das haben Sie sehr wohl gesagt. Ich stand direkt daneben und habe es auch gehört.«  
    »Sehen Sie?«  
    »Gut. Dann nehme ich hiermit das komplett zurück, ja? Aber nur das.«  
    »Na toll.«  
    »Soll ich das nichtsnutzige etwa auch noch zurücknehmen?«  
    »Nein, wäre zu charmant.«

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