In stillen Nächten
vergessen
Wirst einen anderen lieben
Ist nicht zu ändern
Ich weiß es ist dumm
Allein der Gedanke
Daran bringt mich um
Ich werde bald tot sein
Seit ich leb steht das fest
Wenn ich gestorben
Wirst du kurz traurig sein
Und wenn ich dann tot
Bleibst du nicht allein
Es ist nicht zu ändern
Ich weiß es ist dumm
Doch weiß mir zu helfen
Ich bringe dich um
11 uhr 30
Ich fühle also
leider bin ich
all
Da ist ein Schlauch
die Schleuse offen
und sie schweben ins All
keine Luft
atmen kann man früher doch
Nackt
Nachts im Traum stell ich mir vor
ich leite einen Damenchor
zehn Mädchen die ich um mich schare
zusammen hundertsiebzig Jahre
und alle nackt in mich verliebt
Schade daß es das nicht gibt
Die Fledermaus
Die Fledermaus vom Taubenhaus
hat gut geschmeckt
bestrichen mit gebranntem Wein
und dann fein angesteckt
Iß das
Du sollst nicht weinen
Friß meinen Dreck trink meinen Dreck
Ich bin schmutzig geht nicht weg
Friß meinen Dreck trink meinen Dreck
Schluck es runter leck es weg
Du sollst weinen
Davon wird die Erde naß
zwischen meinen Beinen
Tränen in das Gras
Denke weit
Du sagst ich wäre dir zu alt
Nun
Wir werden sehen
Zwar nagt an mir der Zahn der Zeit
Doch
liebes Kind sei doch gescheit
schau deine Mutter
denke weit
was ich mir hol für gute Zeit
ist einfach immer Mitte zwanzig
die Jahre die du überdacht
am Schluß den Unterschied nicht machen
keine Frage wer am Ende lacht
schau deine Brüste an die flachen
Sterne die zum Süden gehen
hab ich schon tausendmal gesehen
Ja
Ein schnelles Wort das Ja
ich hab Treue ihr geschworen
sind wir ans Meer gefahren
das Wort im Sand verloren
Ein Blick
Einblick
ein Blick
in morgen
war nicht schön
Nachbars Sohn
Wenn irgendwer mich reiten will?
die Leute streiten aus der Still
weilt ein wenig und doch schon
meldet sich des Nachbars Sohn
du alte Schlampe mußt mich kaun
für den kaputtgetretenen Zaun
Liebe
In stillen Nächten weint ein Mann
weil er sich erinnern kann
Kunst
Es tut sehr sehr gut
wenn jemand deine Kunst versteht
Geburtstag
Zu deinem Namenstag
schenk ich dir Flügel
nun steig auch auf das Haus
und spring
ich blase die Kerzen aus
Umrisse
Schatten sind die Stiefkinder der Sonne
von Zeit zu Zeit besucht sie der Mond
Das Buch
Bekannt ist Till Lindemann vor allem als Sänger (und Texter) der Band
»Rammstein«. Weniger bekannt ist, dass er unabhängig davon seit über 20 Jahren Lyrik
schreibt – Gedichte, von denen zwar einige zu Songs geworden sind, die aber als
Gedichte ihr ganz eigenes Leben haben. Höchst erstaunlich klingen diese oft fast
beiläufig daherkommenden, dabei aber rhythmisch und musikalisch genauestens gebauten
Texte, in denen ein abgründiges, reizbares, verletzliches lyrisches Ich in eine
intime Zwiesprache mit dem Leser tritt. Darunter sind Gedichte, die – wie Alexander
Gorkow in seinem Vorwort schreibt – »klingen wie in kalten Nächten aus dem Eis
gekratzt«, aber auch solche voller Wehmut, Sehnsucht und Gefühlsinnigkeit.
Herausgegeben wird der Band von Alexander Gorkow, der 2012 für eine Reportage
über die US-Tournee von »Rammstein« im Magazin der Süddeutschen Zeitung den deutschen
Reporterpreis erhielt. Das Buch enthält neben den Gedichten als Illustrationen eine
Reihe von Schwarzweiß-Zeichnungen des Künstlers Matthias Matthies.
Der Autor
Der Autor Till Lindemann wurde 1963 in Leipzig als Sohn des DDR-Kinderbuchautors
und Schriftstellers Werner Lindemann und der Kulturjournalistin Brigitte Lindemann
geboren. In der Jugend Leistungssportler (Schwimmen), nach einer Internatszeit Lehre
als Tischler und tätig als Zimmermann, Korbflechter und Techniker. Seit 1994 Sänger
und Texter von »Rammstein«. Lebt in Berlin. Bisherige Veröffentlichung: »Messer«.
Gedichte und Fotos, Frankfurt, 2005.
1. Auflage 2013
© 2013 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
eBook © 2013 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
Covergestaltung: Rudolf Linn, Köln
Covermotiv: © Matthias Matthies
Autorenfoto: © P. R. Brown
Illustrationen: Matthias Matthies, Berlin
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