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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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sich von einer rotblonden Brünhild einfach beiseiteschieben zu lassen. »Ich war sowieso gerade am Gehen«, blaffte sie, schnappte sich mit einem einzigen Schwung ihre Designerhandtasche und fegte in einer Wolke aus Chanel N° 19 aus dem Zimmer.
    Lee hatte Chanel N° 19 noch nie leiden können.
    »Schon besser«, bemerkte Elena Krieger laut genug, dass Susan es hören konnte. »Jetzt können wir uns an die Arbeit machen.«
    Während er Susans zurückweichender Gestalt nachsah, konnte Lee den Gedanken nicht unterdrücken, dass das nicht gut ausgehen würde.

KAPITEL 10
    Samir Haddad hatte Angst. Er war kein furchtsamer Mensch, aber in letzter Zeit hatte er ziemlich oft Angst. Seit diesem entsetzlichen Tag, als es den Tod vom Himmel regnete, hatte sich alles verändert. Das Geschäft lief nicht mehr, und die Menschen sahen ihn anders an. Nicht seine Stammkunden – die waren im Gegenteil sogar noch freundlicher geworden –, doch die Touristen und Auswärtigen waren nervös. Wenn sie seinen Akzent hörten, schauten sie ihn manchmal an, als wollte er sie angreifen. Und das war absurd.
    Samir war Pazifist und aus Jordanien geflohen, um der zermürbenden Politik des Nahen Ostens zu entrinnen. Ihn verband nichts mit den elf Männern, die sich im Namen Allahs der Zerstörung verschworen hatten. Er war nicht einmal gläubig, obwohl er wie ein guter Muslim in die Moschee ging. Er wusste, dass viele praktizierende Christen und Juden ebenfalls nicht an Gott glaubten, deshalb fand er nichts Absonderliches daran, auch wenn er seinen Unglauben selten jemandem gegenüber zugab.
    Samir stocherte mit einer Gabel in den heißen Kohlen seiner Imbisskarre herum und sah zu, wie die Funken in den Abendhimmel stoben, Tausende winzige rote Augen, die die Dunkelheit absuchten. Er blickte die Fifth Avenue entlang auf das dunkle Band der Fußgänger, die sich auf dem Bürgersteig drängelten. Ihre Köpfe tanzten auf und ab wie Äpfel auf einem Menschenmeer, und auf ihren Gesichtern lag der abwehrende New Yorker Ausdruck, den er so gut kannte.
    Er war nicht direkt ein Panzer, sondern eher eine Art Fassade, dachte er, als er eine frische Packung Pitabrot öffnete. Nur dass man diese Fassade irgendwann verinnerlichte, was die Menschen veränderte. Vielleicht lag es ja am beschleunigten Lebensrhythmus – die unausgesetzten Reize, die unerbittlichen Anblicke, Geräusche, Gerüche und der Lärm –, doch er bewirkte, dass Kinder schneller erwachsen wurden und Erwachsene früher ihre Vitalität verloren. Wenn man damit klarkam, dachte Samir, konnte man sich kaum vorstellen, anderswo zu leben. Wenn nicht, konnte es einen vernichten.
    In letzter Zeit war dieser Schutzpanzer jedoch immer dünner geworden. Die Menschen waren misstrauisch, trugen gleichzeitig aber auch ihre Gefühle mehr an der Oberfläche. Samir konnte die Reaktion von Menschen vorhersagen, wenn sie auf ihn zukamen, sie an ihrer Körpersprache ablesen. Er hatte schon einige erlebt, die stehen geblieben waren und ihn angestarrt hatten, als sie seinen Akzent hörten – wenn auch meist Touristen. Andere gingen sogar kopfschüttelnd an ihm vorbei und sahen über die Schulter zurück, als würde er ihnen gleich in hohem Bogen eine Handgranate aus seiner Imbisskarre hinterherwerfen.
    Er seufzte und zerteilte Hähnchen und Zwiebeln auf dem Grill in kleinere Stücke, anschließend träufelte er seine selbst gemachte Marinade aus Zitronensaft, Essig und Gewürzen darüber. Es war nicht gut, untätig zu wirken, man zeigte sich besser beschäftigt, selbst wenn Kunden da waren. Amerikaner mochten Menschen, die ständig zu arbeiten schienen. Sie trauten einem nicht, wenn man mit den Händen in den Taschen herumstand, vor allem wenn man ein Gesicht und einen arabischen Akzent wie er hatte.
    Ein junger Mann näherte sich der Karre. Er hatte einen gleichmäßigen, lockeren Schritt und war sehr ordentlich mit einem konservativen Anzug gekleidet. Durch die schmalen Aufschläge und die Nadelstreifen auf dem Jackett und der dazu passenden Hose hatte er geradezu etwas Altmodisches. Samir war sehr gut darin, Leute einzuschätzen, das musste er in seinem Job auch sein. Er sah dem Mann ins Gesicht, seine Augen waren jedoch hinter einer merkwürdig dicken Sonnenbrille verborgen. Samir schaute ihn sich ein wenig genauer an – nein, das war keine Sonnenbrille, das war eine Schutzbrille. Gerade als er sich fragte, warum ein junger Mann im Anzug etwas Derartiges tragen sollte, schob sich der Typ die Brille auf

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