In tiefer Sehnsucht
Rastazöpfen und einer schmalen Gelehrtenbrille auf der Nasenspitze. Dunkle, durchdringende Augen, denen nichts entging, und der empfindsame Mund eines Dichters.
Es war, als spräche Serrin aus, was Nicholas dachte und fühlte, als hätte er dieselbe Kindheit erlebt und darüber geschrieben. Der Schock darüber, dass jemand seine geheimsten Gedanken aufgeschrieben hatte, saß Nicholas immer noch in den Gliedern, als er den Fernseher einschaltete und zu Stein erstarrte. Dort war genau in diesem Moment Lamont Serrin in einem Interview zu sehen. Aber Serrin war nicht der Grund, warum Nicholas aufsprang und näher an den Breitbildfernseher heranging. Der Grund war die Frau, mit der Serrin sich unterhielt.
Ja, sie war schön, aber das traf auf die meisten Frauen zu, die beim Fernsehen arbeiteten. Das gehörte in dem Geschäft einfach dazu. Diese Frau hingegen war auf eine altmodische, romantische Art und Weise schön, und sie strahlte eine sanfte Traurigkeit aus. Aufmerksam unterhielt sie sich mit dem farbigen jungen Mann und sprach auf diese Weise direkt zu Nicholas. Sie las seine Gedanken, seine Gefühle. Nicholas hatte sich sein ganzes Leben lang einsam gefühlt. Aber daran war er gewöhnt. Und nun hatten in einer einzigen Nacht zwei Fremde direkt zu seinem Herzen gesprochen, und einer von ihnen war eine schöne Frau. Isabelle Summerby.
Seit jenem Tag schaute er sich jede einzelne ihrer Sendungen an und machte es sich zur Aufgabe, alles über sie herauszufinden. Auf legalem – oder auch illegalem – Weg Dinge über andere Menschen herauszufinden, war nur eins seiner vielen einträglichen Talente, durch die er zu einem reichen Mann geworden war.
Je mehr er über Isabelle herausfand, desto mehr faszinierte sie ihn. Durch seine Quellen erfuhr er alles über ihre Lebensgeschichte, über ihre Vorlieben und ihre Abneigungen. Schon bald bewunderte er ihren Mut, ihre Standhaftigkeit und ihre Loyalität sowie ihre Klugheit und ihren Sanftmut.
Isabelle stand vor dem Schreibtisch ihres Vaters, die aschblonden Augenbrauen zu einem Strich zusammengezogen. Ihre silberblauen Augen blitzten hell auf, als ihr Blick unsicher zwischen ihrem Vater und ihm hin und her wanderte.
»Dad? Ist alles in Ordnung?« Summerby zuckte zusammen, und eine Schweißperle lief ihm über die Wange. Ungerührt beobachtete Nicholas, wie Summerby mit sich kämpfte. Aber er hatte einen guten Grund, das zu tun, was Nicholas von ihm verlangte. Drei Millionen gute Gründe, um genau zu sein. Summerby straffte die Schultern und fuhr sich mit der Hand durch das hellblonde Haar.
»Isabelle …« Seine Stimme war jetzt fast schon übertrieben sanft. »Wie schön, dich zu sehen, Liebes.«
Isabelle sah erst zu ihrem Vater, dann zu Nicholas. »Ich hoffe, ich störe nicht?«
»Nein, gar nicht, Liebes.« Summerby schaffte es, gut
gelaunt zu klingen.
»Wir haben etwas Geschäftliches besprochen und sind jetzt fertig. Isabelle, ich möchte dir einen guten alten Freund und Geschäftspartner von mir vorstellen – Nicholas Lee.«
Isabelle lächelte liebenswürdig und streckte die Hand aus. »Mr Lee. Es freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite.« Nicholas erwiderte ihr Lächeln, obwohl das eigentlich nicht seinem Naturell entsprach. Er nahm ihre Hand. Sie war schmal und langgliedrig, und sie trug keine Ringe. Isabelles Haut war erstaunlich weich, und als ihre Hände sich berührten, durchzuckte es ihn wie ein elektrischer Schlag. Allein sie durch das Zimmer gehen zu sehen, hatte ihn erregt, und jetzt, da sie sich berührten, stand sein Körper in Flammen. Ihr Parfüm, das zart nach Wiesenblumen roch, hüllte ihn ein.
Sie musterte ihn neugierig. Er war wie hypnotisiert von dem silberfarbenen Schimmer ihrer Augen. Ihr Blick spiegelte weibliche Neugier wieder, in die sich eine Leidenschaft mischte, von der er annahm, dass sie sich ihrer nicht bewusst war. Ihm hingegen entging sie nicht. Er war daran gewöhnt, dass Frauen ihn mit offenem sexuellen Interesse musterten, als spürten sie, dass er ein Mann war, der ausdauernden, harten Sex schätzte. Gern auch mehrmals hintereinander.
Isabelles Pupillen weiteten sich, und ihre Nasenflügel bebten. Der animalische Anteil ihres Wesens nahm die Witterung eines dominanten Männchens auf. Eine Sekunde lang verharrte sie wie ein erschrockenes Reh im Scheinwerferlicht, und Nicholas konnte spüren, wie Panik und Erregung in ihr miteinander im Widerstreit lagen. Ihre Hand zitterte. Ihre
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