In tiefer Sehnsucht
Erstes Kapitel
»Ich will Ihre Tochter.«
Obwohl Nicholas die Stimme gesenkt hatte, hatte sein Gegenüber seine Worte gehört und war blass geworden.
In der Ferne war ein Donnergrollen zu hören. Vier Sekunden später tauchte ein heller Blitzstrahl das dunkle Arbeitszimmer in gleißendes Licht. Richard Summerby IV zuckte zusammen. »I…ich bitte um Entschuldigung?«, stammelte er.
Ah,
dachte Nicholas amüsiert.
Die tadellosen Manieren der oberen Zehntausend.
Zum Glück hatte er selbst keine.
Summerby besaß die vornehme Blässe des kultivierten Snobs, wie sie nur eine Familie hervorbrachte, die seit vielen Generationen über immensen Reichtum und die entsprechenden Privilegien verfügte. Gleichzeitig hatte er die weichlichen Züge eines Schwächlings mit einem Hang zu einem ausschweifenden Lebensstil. Obwohl er viel Geld geerbt hatte, hatte er es fertiggebracht, sein ganzes Vermögen durch Herumhuren und Glücksspiel zu verprassen. Er stand kurz vor dem Ruin, und Nicholas hätte ihm mit Vergnügen den Todesstoß verpasst – aber es gab eine Sache, die ihn davon abhielt: Summerby gehörte etwas, das er unbedingt haben wollte.
Nicholas sah hinaus in den Sturm, der vor den großen Bleiglasfenstern wütete, dann glitt sein Blick zurück zu Summerby. Als er lächelte, wurde sein Gegenüber noch bleicher. Gut. Nicholas wollte, dass der andere Angst vor ihm hatte.
»Wie ich bereits sagte, ich will Ihre Tochter«, wiederholte er kühl. »Für ein paar Wochen. Und Sie werden mir dabei helfen, sie zu bekommen.«
»Das … das ist verrückt.« Summerby tat so, als handele es sich um einen Witz. Aber sein Lachen erstarb sofort wieder, als Nicholas beharrlich schwieg. »Sie können meine Tochter nicht haben. Sie sind nichts weiter als ein … ein Gangster.«
»Nein, das bin ich nicht.« Nicholas zog die Augenbrauen hoch. »Jedenfalls nicht mehr.«
Nachdenklich glitt sein Blick durch das elegant eingerichtete Arbeitszimmer. Echte Chubb-Aquarelle, georgianische Möbel, ein Aubusson-Teppich. Er musterte die hellen Flecken auf den vergilbten Wänden, die von abgehängten und verkauften Bildern zeugten, den Chippendale-Schreibtisch, der dringend ein paar Reparaturen nötig hatte, und die leeren Bücherregale, in denen Erstausgaben gestanden hatten, die bei Auktionen versteigert worden waren. Das Haus selbst wäre als Nächstes dran.
»Allerdings investiere ich gelegentlich in Geschäfte, die man als … risikofreudig bezeichnen kann. Zum Beispiel habe ich soeben das Unternehmen von Morris Caneman aufgekauft.«
Lächelnd registrierte Nicholas, wie Summerby schockiert zusammenzuckte und ein gurgelndes Geräusch aus seiner Kehle kam. Endlich begriff der Mann, in welchen Schwierigkeiten er steckte. »Canemans Schuldner sind jetzt meine Schuldner, Summerby. Sie selbst schulden Caneman drei Millionen Dollar, die Sie nicht besitzen. Caneman drei Millionen zu schulden, ist ziemlich übel.
Mir
drei Millionen zu schulden, ist um einiges schlimmer.«
Auf Summerbys Stirn glitzerten Schweißperlen. Wieder erhellte ein Blitz das Zimmer, dicht gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag, der dröhnend durch das Zimmer hallte. Vor dem Fenster bogen sich die Äste einer gewaltigen Eiche im Wind, die immer heftiger werdenden Böen ließen die Zweige hin und her peitschen.
»Hören Sie mir jetzt ganz genau zu.« Nicholas durchbohrte Summerby mit seinen Blicken. »Ich könnte mich dazu überreden lassen, Ihnen Ihre Schulden zu erlassen und Sie vor dem Ruin zu bewahren. Vielleicht können Sie sogar das Haus behalten. Soweit ich weiß, befindet es sich seit vier Generationen in Familienbesitz. Aber dafür müssen Sie auch etwas für mich tun.«
»Was …« Summerbys Stimme war kaum mehr als ein Krächzen. Er leckte sich über die Lippen und versuchte es noch einmal. »Was muss ich tun, damit Sie mir helfen? Und was haben Sie mit meiner Tochter vor?«
»Sex«, erwiderte Nicholas. »Ein paar Wochen lang. Danach bekommen Sie Ihr altes Leben zurück.«
Summerby sah ihn aus weit aufgerissenen Augen an und sog hörbar den Atem ein. Nicholas musterte ihn kühl. »Das ist Ihre einzige Chance, Summerby. Ihre Tochter wird in wenigen Minuten hier sein. Ich weiß, dass Isabelle Sie jeden Donnerstagnachmittag besucht. Sie werden mich als alten Freund der Familie und als langjährigen Geschäftspartner vorstellen und sich dabei vollkommen natürlich und ungezwungen verhalten. Sie soll glauben, dass ich nichts weiter bin als ein alter Freund
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