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Inferno - Höllensturz

Inferno - Höllensturz

Titel: Inferno - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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vage ein Gesicht erkennen: eingesunkene Augen, die Haut so durchsichtig, dass man die Venen erkennen konnte. Der Mund der Gestalt war durch Nieten verschlossen.
    »Das ist einer meiner Mutatoren«, drang die Stimme durch die Leitung. »Er stammt aus einer majestätischen Klasse von Dienern, die jahrhundertelang fasten, um mir ihre Ergebenheit zu beweisen. Und sie sprechen nicht, wie du siehst, also können sie niemandem erzählen, was sie in meinen Gemächern sehen. Ich will, dass du mit ihm gehst. Wenn du gehorchst, wird er die Frau freilassen. Wenn nicht, bohrt er mit diesem Gerät ein Loch in ihren Kopf und verquirlt damit ihr Gehirn.«
    Jetzt erst bemerkte Cassie das flache Metallwerkzeug in der knochigen Hand des Mutators, eine Art Schraubenzieher mit einem Mörserstößel am Ende, den er an Sadies Schläfe hielt.
    »Was auch immer er dir erzählt«, riet Angelese. »Tu es nicht. Hör nicht auf ihn.«
    »Zudem garantiere ich für deine Sicherheit und die deiner kleinen Engelsfreundin. Ich will einfach nur reden, das ist alles.«
    Die Stimme war betörend schön. Die vertrauenerweckendste Stimme, die sie je vernommen hatte.
    »Ich will dir ein Geschäft vorschlagen«, fuhr der Anrufer fort. »Wenn dir das Geschäft nicht zusagt, kannst du zurück in deine heiß geliebte Welt der Lebenden gehen und machen, was immer du willst.«
    »Nnnnnnein«, stieß Cassie mühsam hervor.
    »Hier ist außerdem noch jemand, der gern mit dir sprechen würde.«
    Pause. Dann hörte sie eine andere Stimme.
    »Cassie? Ich bin’s, Lissa!«
    »Lissa!«
    »Bitte lass nicht zu, dass sie mich wieder in diesen Zoo stecken!«
    »Cassie, leg jetzt auf«, sagte Angelese mahnend. »Wir müssen hier abhauen.«
    »Aber es ist meine Schwester!«
    »Wir können nichts für sie tun. Leg auf.«
    Cassies Augen deuteten auf das Ende des Flurs. »Und er wird Sadie auch töten, wenn ich nicht mit ihm spreche. Er hat gesagt, er will nur mit mir reden.«
    Der Mutator drückte den Stößel fester gegen Sadies Schläfe. Sie fing an zu schreien.
    »Cassie, was ist hier los? Das ist doch verrückt«, ließ sich plötzlich eine andere Stimme vernehmen. Den Hörer immer noch in der Hand, drehte Cassie sich um.
    Da stand Sadie. Nicht am anderen Ende des Ganges, sondern hinter dem Schreibtisch. Sadie war sprachlos, denn auch sie sah den Flur hinunter und erkannte dort sich selbst mit dem Mutator.
    »Cassie, das ist ein Hex-Klon!«, warnte Angelese. »Töte ihn und töte dieses Wesen.«
    »Zerplatze!«, flüsterte Cassie und sah die Sadie-Fälschung an. Die geklonte Frau schwoll immer mehr an, dann machte es plopp! und das Hexfleisch spritzte an die Wände. Nur noch die Haut des Klons lag auf dem Boden.
    »Und jetzt zu dir«, sagte sie zu dem Mutator. »Steck dir das Ding in deinen eigenen Kopf.«
    Es dauerte nicht lange. Die dürre Gestalt erzitterte, als der Stößel sich durch den Schädel ins Gehirn bohrte. Dann fiel sein Leib zu Boden, von dem Umhang bedeckt wie von einem Leichentuch.
    Die echte Sadie floh verständnislos in die entgegengesetzte Richtung.
    »Ach, Cassie.« Die Stimme am Telefon klang bedauernd. »Ich bin dessen so überdrüssig. Ich verstehe einfach nicht, was mit den Leuten los ist. Jetzt muss ich …«
    Angelese nahm den Hörer und knallte ihn auf die Gabel. »Cassie, du vergeudest nur deine Zeit. Ich hab dir schon mal gesagt, wir werden deine Schwester auf unsere Weise finden, nicht auf seine. Jedes Wort von ihm ist gelogen.«
    Cassie stand völlig benommen da. Die katastrophale Realität dessen, was um sie herum vor sich ging, vertrieb endlich die seltsam hypnotische Stimme aus ihrem Kopf. Ja, sie wusste, mit wem sie gesprochen hatte, und er war nicht weit weg. Er befand sich in dem unmöglichen schwarzen Wolkenkratzer, der sich gerade vor der Klinik materialisiert hatte. Der faulige Nebel sickerte inzwischen in den Flur und verschleierte die ungewohnten, abscheulichen Gegenstände, welche die räumliche Verschmelzung in das Gebäude der Klinik verpflanzte. Neben dem ehemaligen Schwesternzimmer war die Tür zum Büroflügel; sie war teils verschmolzen mit der Statue eines widerwärtigen Dämons, auf dem Tauben mit Reißzähnen und Würmern statt Federn herumlungerten. Doch es war noch genug von der Tür übrig, um hindurchzugehen. »Komm, wir gehen da raus«, sagte Cassie.
    Sie rannte los, in der Erwartung, der Engel würde folgen. Doch sofort merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Durch den Nebel blickte sie zurück. Angelese stand

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