Inka Gold
der Galeone nach Plymouth segeln.«
Entsetzt breitete Cuttill die Arme aus. »Mit nur zehn Mann kann ich unmöglich ein Schiff von ihrer Größe segeln, nicht bei schwerer See.«
Drake ging zum Arbeitstisch zurück und tippte mit einem Messingzirkel auf einen Kreis, den er auf einer Seekarte eingezeichnet hatte. »Auf den Karten, die ich in Capitan de Antons Kabine fand, habe ich etwas nördlich von hier eine kleine Bucht an der Küste entdeckt, in der sich keine Spanier herumtreiben dürften. Ihr werdet dorthin segeln und sämtliche spanischen Offiziere und die verwundeten Besatzungsmitglieder absetzen. Überredet zwanzig weitere gesunde Seeleute dazu, sich Eurer Mannschaft anzuschließen. Ich werde dafür sorgen, daß Ihr ausreichend Waffen erhaltet, damit Ihr Euer Kommando ausüben und jeden Versuch der Spanier unterbinden könnt, das Schiff in ihre Gewalt zu bekommen.«
Cuttill wußte, daß jeder weitere Widerspruch zwecklos war.
Mit einem starrköpfigen Mann wie Drake konnte man nicht debattieren. Mit einem resignierten Achselzucken fügte er sich in seinen Auftrag. »Selbstverständlich werde ich Euren Befehl ausführen.«
Drakes Miene war zuversichtlich, sein Blick freundlich.
»Wenn jemand eine spanische Galeone zu den Kais von Plymouth segeln kann, Thomas, dann seid Ihr das. Ich fürchte, der Königin werden die Augen aus dem Kopf fallen, wenn Ihr ihr die Ladung aushändigt.«
»Das Vergnügen würde ich lieber Euch überlassen, Käpt’n.«
Drake versetzte Cuttill einen freundlichen Klaps auf die Schulter. »Nur keine Angst, alter Freund. Ich befehle Euch hiermit, mit einer hübschen Maid auf jeder Seite am Kai zu stehen und mich willkommen zu heißen, wenn die
Hind
heimkehrt.«
Bei Sonnenaufgang am folgenden Morgen befahl Cuttill der Mannschaft, die Leinen loszumachen, die die beiden Schiffe miteinander verbanden. Unter seinem Arm klemmte das in Tuch eingeschlagene Kästchen, das er auf Drakes Geheiß hin persönlich der Königin übergeben sollte. Er trug es in die Kapitänskajüte und schloß es in einen Schrank. Dann kehrte er auf Deck zurück und übernahm den Befehl über die
Nuestra Señora de la Conception,
die langsam von der
Golden Hind
forttrieb. Als die Segel gesetzt wurden, stand die Sonne so purpurn und strahlend am Himmel, daß die abergläubischen Matrosen auf beiden Schiffen meinten, sie sehe so rot wie ein blutendes Herz aus. In ihrer schlichten Denkweise betrachteten sie dies als ein böses Omen.
Drake und Cuttill winkten einander ein letztes Mal zu, als die
Golden Hind
auf Nordostkurs ging. Cuttill beobachtete das kleinere Schiff, bis es am Horizont verschwunden war. Er teilte Drakes Zuversicht nicht. Eine düstere Vorahnung befiel ihn.
Etliche Tage später segelten, nachdem auf Cano zahllose Tonnen Silberbarren und – münzen entladen worden waren und das Schiff wieder höher im Wasser lag, die robuste
Hind
und der verwegene Drake gen Norden zu einem Ort, der zweihundert Jahre später als Vancouver Island bekannt werden sollte… bevor sie sich gen Westen, zu ihrer endlosen Reise über den Pazifik, wandten.
Weit im Süden halste und kreuzte die
Conception
gen Osten, sichtete Land und erreichte am folgenden Tag spätabends die von Drake auf den spanischen Karten eingezeichnete Bucht.
Der Anker wurde geworfen, und die Wachlichter wurden gesetzt.
Tags darauf, als die Sonne über den Anden herabbrannte, entdeckten Cuttill und seine Besatzung an einer weitläufigen Bucht ein großes Dorf, in dem über tausend Ureinwohner lebten.
Unverzüglich befahl er seinen Männern, die spanischen Offiziere und Verwundeten an Land zu bringen. Zwanzig der besten Seeleute wurde das Zehnfache ihrer spanischen Heuer geboten, wenn sie dabei halfen, die Galeone nach England zu segeln, wo ihnen beim Anlegen die Freiheit zugesichert wurde.
Freudig willigten alle zwanzig ein.
Kurz nach Mittag stand Cuttill auf dem Kanonendeck und beaufsichtigte das Landemanöver, als das Schiff plötzlich zu vibrieren begann, als würde es von einer Riesenhand geschüttelt.
Jedermann starrte augenblicklich auf die langen Wimpel an den Mastspitzen, doch nur die Spitzen flatterten in einer leichten Brise. Dann wandten sich alle Blicke der Küste zu, wo am Fuße der Anden eine große Staubwolke aufstieg und sich in Richtung Meer zu bewegen schie n. Ein fürchterliches, ohrenbetäubendes Donnern, das mit einem gewaltigen Beben der Erde einherging, erfüllte die Luft. Während die ebenso erstaunten wie faszinierten
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