Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
Vom Netzwerk:
Solltest du nicht bei deiner hochschwangeren Freundin sein?«
    Walde seufzte: »Stiermann meint, ich sollte mit Richter Harras reden.«
    »Da hab’ ich nichts dagegen. Ich dachte schon, der traut mir den nicht alleine zu.« Gabi zog eine Schublade aus einem kleinen Schränkchen neben dem alten zweitürigen Garderobenschrank.
    »Ich glaube«, Walde sah Gabi in die Augen, »der Chef befürchtet, du könntest dem Richter gegenüber vielleicht nicht den richtigen Ton treffen.«
    »Unsere Nachbarn hatten einen Hund, der hieß Harras. Ziemlich scharf war der, aber geradezu handzahm gegenüber dem, was Dr. Harras zu seinen Zeiten als Haftrichter drauf hatte.« Gabi hob einen Stapel Lederhandschuhe aus der Schublade und legte sie wieder zurück. »Besonders wenn es sich um ausländische Frauen aus dem Rotlichtmilieu oder Drogendelikte handelte, kannte Harras kein Pardon. Erst in den Knast und dann Abschiebung.«
    »Harras ist inzwischen Richter am Landgericht als Vorsitzender einer Großen Strafkammer«, sagte Meier. »Ich hab’ mit ihm öfter zu tun gehabt, früher, als er noch Haftrichter war. Der war okay, hart, aber okay.«
    »Das ist wohl eine Frage der Perspektive«, grummelte Gabi.
    Walde öffnete am CD-Player die Ladeklappe. Darin lag ein CD-Rohling, auf dem etwas von Hand notiert war: »Joni Mitchell ›Travelogue‹ , die höre ich auch ganz gerne.«
    Walde ging in die Diele und wandte sich an Meier:
    »Kommst du mit zu Harras? Dann brauche ich ihm die Todesnachricht nicht allein zu überbringen. Wie ich Stiermann verstanden habe, ist er Witwer und er hatte nur eine Tochter.«
    »Schöne Scheiße«, war Gabis Kommentar.
    *
    Vor dem Gerichtsgebäude, einem unscheinbaren Zweckbau aus den 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts, waren die wenigen Parkplätze belegt. Walde bog um die Ecke und parkte im Halteverbot. Als sie ausstiegen, prüfte er, ob zwischen Wagen und Hauswand noch genügend Platz für einen Kinderwagen war. Meier stand vornübergebeugt und versuchte, sich gegen den Wind eine Zigarette anzuzünden. Waldes Wagen gehörte zu den wenigen rauchfreien Zonen, die er akzeptierte.
    Die Männer hinter der Glasscheibe an der Pforte nickten ihnen freundlich zu. Walde versuchte besonders freundlich zurückzulächeln, wohl wissend, dass Meier seine versteinerte Miene beibehielt.
    »Warum sitzen da drei Leute?«, brummelte Meier.
    »An der Pforte?«
    »Überall wird gespart und die drei sitzen sich da den Hintern platt.«
    »Da sind nicht immer so viele, vielleicht ist einer von ihnen nur auf Besuch«, vermutete Walde.
    »Hat der sonst nichts zu tun, als bei denen herumzulungern?«
    »Was fragst du mich?« Walde wich einem Anwalt aus, der links und rechts eine schwarze Aktentasche trug und obendrein einen Umhang über einer Schulter balancierte.
    Auf der Treppe nahm Walde immer zwei Stufen auf einmal. Meier blieb zurück. Schon nach wenigen Stufen hörte Walde ihn hinter sich keuchen. Im Flur verlangsamte Walde seine Schritte. Mehrere Türen zu den Büros der Richter standen offen. Hin und wieder nickte einer ihm zu.
    »Haben die ihre Türen auf, weil sie hoffen, sie bekämen Arbeit?« Meier hatte Walde schnaufend eingeholt. »So gut müsste man es haben! Denen kann doch keiner mehr was vorschreiben. Schöne Unabhängigkeit, können tun und lassen, was sie wollen. Da ist mir klar, wo die Zustände an der Pforte herkommen.«
    Sie waren an der geschlossenen Tür von Richter Harras’ Büro angelangt. Walde sammelte sich einen Moment, bevor er anklopfte. Niemand antwortete. Er drückte den Türgriff. Abgeschlossen. Im Sekretariat erfuhren sie, dass Harras schon nach Hause gefahren sei. Walde ließ sich die Privatadresse geben.
    »Klar, noch nicht mal vier Uhr und der Herr ist schon zu Hause. Wahrscheinlich ist er erst um zehn gekommen und hat zwischendurch zwei Stunden Mittag gemacht«, wetterte Meier, als sie wieder die Treppen hinunterstiegen.
     
    Während der Fahrt griff Meier unvermittelt in die Tasche seiner Daunenjacke. »Hier auch«, sagte er ins Telefon. »Wie geht’s?«
    Meier hörte eine Weile zu, dann sagte er: »Es wird heute wahrscheinlich später, ich rufe noch mal an. Falls etwas ist, weißt du ja, wie du mich erreichen kannst.«
    Meier steckte das Telefon ein. Als er die Hand aus der Tasche nahm, sah Walde aus den Augenwinkeln eine Zigarettenschachtel. Meier tastete die Tür ab: »Wo ist denn der Griff für den Fensterheber?«
    »Hier«, Walde deutete auf die Tastatur auf der Konsole zwischen den

Weitere Kostenlose Bücher