Inquisitor: Drei Romane in Einem Band. Mit Bonusmaterial: "Die Innere Bestie" [u.a.]. Ian Watson. Mit Einer Einf. Des Autors. [Dt. Übers. Von Walter Brumm Und Christian Jentzsch].
können, bevor sie
durch enge, geknickte Rohre krochen. Eine Pumpe saugte zwei Jugendlichen Blut
ab, um sie benommen zu machen, bevor sie sich im waffenlosen Kampf übten, und
einem anderen, bevor er einen Spießrutenlauf durch einen Korridor voller
wirbelnder Messer versuchen würde. Vernarbte Veteranen-Ausbilder gingen
dazwischen auf und ab, immer bereit, es den Ungläubigen zu demonstrieren. Gymnastikmaschinen
kreischten, tosten und wirbelten, um ihren Benutzern die Orientierung zu
rauben.
Meh'lindi war eine halbe Stunde
gelaufen, um einen anderen Assassinen einzuholen. Senkrecht über ihr benutzte
er ein experimentelles Gerät zur Umkehr der Schwerkraft und lief daher verkehrt
herum. Sie selbst rannte in einer selbst beigebrachten Trance und stellte sich
vor, irgendwann einen so erleuchteten Geisteszustand zu erreichen, dass sie
unmenschlich schnell laufen, eine Runde durch das Rad drehen und ihr Jagdwild
im Vorbeirennen vollkommen verblüffen könne. Wann immer sie zu einem solchen
Spurt ansetzte, wurde das Rad schneller, um sie zu frustrieren.
Plötzlich hielt es mit dem
donnernden Krachen zupackender Kettenzahnräder und dem Kreischen von Gestängen
und Mechanismen an.
Meh'lindi wurde heftig
vorwärtsgeschleudert. Zwar kam es vollkommen unerwartet, aber sie war ohnehin
auf alles vorbereitet und krümmte sich zusammen, so dass sie rollte. Mit einem
Rückwärtssalto entrollte sie sich wieder und wirbelte herum.
Das Rad beschleunigte bereits
wieder in die andere Richtung. Es wurde rasch schneller. Hoch über ihr war ihr
Jagdwild in Schwierigkeiten. Sie rannte höher, höher, und versuchte, den
Reibungswiderstand ihrer nackten Füße und gleichzeitig den Schwung durch
schiere Willenskraft zu steigern, um nicht die Wandung des Rads
zurückzugleiten.
Schließlich heulte eine Sirene
und zeigte das Ende ihrer Übungseinheit an — gerade als sie sich einbildete,
winzige Aussichten zu haben, erfolgreich zu beenden, was faktisch unmöglich
war.
Sie schüttelte den Kopf,
vertrieb jeden Anflug von Verärgerung, machte kehrt und lief am Rand hinunter.
In dem Käfig öffnete sich ein Tor, und sie stieg aus.
»Der Direktor Secundus lädt
dich in einer Stunde zu sich ein«, sagte der Radmeister. Der kahlköpfige alte
Mann, dem ein Auge durch eine Rubinlinse ersetzt worden war, verkniff sich
jeglichen Kommentar zu ihrer Leistung. Als erfahrene Absolventin des Collegia
Assassinorum musste Meh'lindi in der Lage sein, sie selbst zu beurteilen.
Andernfalls wäre sie vom rechten Weg abgewichen.
»Lädt mich ein?«, fragte sie.
Der Direktor Secundus war niemand anders als der Stellvertreter des obersten
Direktors dieses Assassinenschreins. Lud solch ein hoher Würdenträger ein?
»So lautete die Formulierung.«
In einer kuppelüberdachten
Zelle im Baptisterium schälte sich Meh'lindi aus ihrer hautengen schwarzen
Tunika. Während Ultraschall Schweiß und Dreck von ihr löste, betrachtete sie
ihren Körper in einem hohen Spiegel, der von einem Rahmen aus ineinander
verwobenen und verknoteten Messingknochen eingefasst war. Sie gestattete sich
ein gewisses Maß an Bewunderung, das über die schlichte sachliche Einschätzung
hinausging. Sie war nicht nur zu einer geschmeidigen, schlauen Mörderin
ausgebildet worden, sondern auch zu einer Kurtisane von allerhöchstem Rang.
Eine Kurtisane — auch eine, die größtenteils nur so tat, als erfülle sie die
Rolle einer Freudenspenderin — musste sich ihrer Sinnlichkeit bewusst sein.
Meh'lindi war groß und
langgliederig und hatte ausgeprägte Bizepse und Wadenmuskeln, obwohl ihre Größe
den Eindruck von Kraft ein wenig milderte. Verführerische schwarze
Tätowierungen verbargen ihre Narben. Eine riesige behaarte Spinne zog sich um
ihren Bauch. Eine Schlange kroch mit gebleckten Fängen ihr rechtes Bein empor.
Skarabäusartige Käfer krochen über die bescheidene Schwellung ihres Busens.
Ihre Brüste, die kein Training in Waffen verwandeln konnte, waren klein und
wenig hinderlich, wenn auch angenehm fest — anmutige kleine Kegel mit
Käfer-Spitzen. Ihr kohlschwarzes Haar war kurz geschnitten, damit man sie nicht
daran festhalten konnte. In ihrer Rolle als Kurtisane mochte sie sich dazu
entschließen, eine glänzende Perücke zu tragen oder auch nicht. Ihre Augen
waren golden, und ihr elfenbeinfarbenes Gesicht wirkte seltsam anonym und wenig
bemerkenswert. Aber schließlich konnte sie ihre Züge auch verändern und ihnen
den Ausdruck einer Verführerin verleihen — oder auch
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