Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
geworden in Deutschland.« Ein Fischadler segelte auf laudosen Schwingen hoch über ihnen, sein Schatten huschte über das Gras, und der schwarze Hahnschweif-widah verschwand blitzartig im Gras, die Eisvögel und die prächtigen Kardinalweber flüchteten in den Bambus. Sie warteten noch eine halbe Stunde, aber vergebens, die Vögel wagten sich nicht wieder hervor.
    In der Nacht lag sie schlaflos in lans Arm, dachte an Victor, der nicht gefunden werden wollte und den sie nicht besuchen konnten, weil sie eine Gefahr für ihn wären, dachte an die Rollen von Natostacheldraht um harmlose Fabriken und die Minenattrappen an der Wand der Edelboutique, sah den Blick der schwarzen Sicherheitsbeamtin im Supermarkt, hörte das Klatschen ihres Gummiknüppels und das Knattern des Polizeihubschraubers. Diese Bilder fielen wie Samenkörner auf den fruchtbaren Boden ihrer Fantasie. Sie gingen bereits auf, das konnte sie spüren. Würden die Pflänzchen bald wuchern, böse, gierig, wie Giftpflanzen, und ihr Afrika umbringen? »Elektrische Zäune ums Haus, Metalldetektoren im Einkaufs-257
    Zentrum, überall Waffen - die leben ja im Gefängnis. Ich könnte das nicht«, brach es endlich aus ihr heraus, und sie beichtete lan ihre Vision des Jungfernstiegs im Sommer, das Gefühl der Sicherheit, das sie dabei spürte, als hätte sie eine Schuld auf sich geladen. Zu ihrem Erstaunen lachte er, lachte sein kehliges Lachen, bei dem ihr immer noch ein Schauer über die Haut lief.
    »Oh, mein Liebling«, flüsterte er mit den Lippen an ihrer Wange, »oh, mein Liebling.« Sie schob ihn von sich, um ihm in die Augen sehen zu können. »Du bist ja froh darüber!«
    »Nein«, log er rasch, »nein, aber mir geht es genauso.« Sie vergrub sich in seinen Armen, und sein KUSS verdrängte die Bilder. Für eine kurze Zeit.
    Montag, den 31. Dezember 1989 -im Haus Robertson Am Montag, den 31. Dezember, morgens um sechs, kurz nach Sonnenaufgang, trafen sie sich bei Tita, um nach Zululand zu fahren. lan und Neu waren kurz vorher gemeinsam zur Redaktion gefahren. »Sie wollen nur etwas abholen und dann zum Tauchen gehen, die Ebbe ist heute sehr früh. Wir sind wohl auch schon am frühen Nachmittag wieder zurück, so haben wir genug Zeit, das Fest zu deinem Geburtstag vorzubereiten - oder hast du vergessen, dass du am ersten Januar Geburtstag hast und wie alt du wirst?« Tita lachte laut, als Henrietta ein Gesicht zog. Sie hatte versucht, dieses Datum zu vergessen. Aber da war es nun. Sie wurde fünfzig. »Nicht zu fassen«, murmelte sie missmutig.
    »Mach dir nichts draus, wir werden alle älter«, meinte Susi, »ich werd auch schon fünfunddreißig!«
    Henrietta bedachte sie mit einem Blick, der jeden anderen auf der Stelle zu bibberndem Schweigen reduziert hätte. Sie hatte ihn von ihrer Großmutter gelernt. Susi aber lachte nur fröhlich und plapperte weiter, übersetzte den Wortwechsel sogar stockend für Isabella in holpriges Englisch.
    »Ich verstehe Deutsch, meine Mutter hat es mir beigebracht«, sagte diese, krümmte ihre Hände zu tatternden Greisenfingern und wackelte mit dem Kopf.
    »Fünfzig!«, grinste sie anzüglich. Die Ähnlichkeit zu ihrer Mutter war unübersehbar.
    Henrietta bleckte die Zähne in einem bissigen Lächeln, entschlossen, S1ch nicht provozieren zu lassen. »Hört auf zu zanken, Kinder, steigt ein, wir müssen los! Es ist schon

    258
    259
    fast sieben!« Tita hielt ihnen die Tür eines großen beigefarbenen Geländewagens auf. Sie trug wie Henrietta ausgewaschene Jeans, in leichte Buschschnürstiefel, Veldskoens, gestopft, und ein weißes T-Shirt. Henrietta hatte lan das hellblaue, langärmelige Hemd abspenstig gemacht, weil sie die Moskitoschwärme im Busch fürchtete. Jetzt im Sommer brüteten sie zu Millionen auch in den kleinsten Wassertümpeln, sogar in den Wassertropfen, die nach einem Regen auf den Blättern standen. Auf der Ladefläche des Wagens stapelten sich mehrere Kartons mit der Aufschrift »FORLISA« und ein großer Karton mit Kleidung. Vorn am Steuer saß Jeremy. »Wo ist Twotimes, sollte der uns nicht fahren?« Mit Twotimes fühlte Henrietta sich sicher. »Der ist über Nacht krank geworden. Brechdurchfall, kann keinen Meter laufen, ohne auf den Lokus rennen zu müssen.« Ächzend kletterte Isabella ins Auto. Sie hatte weder die Figur noch die Eleganz ihrer Mutter geerbt. Ein schlabberiges weißes T-Shirt hing von ihren runden Schultern über sackartigen Kakishorts, die gelben Haare waren einfach zu einem

Weitere Kostenlose Bücher