Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
Mal ernsthaft gestritten. Sie kehrte auf die Terrasse 203
    zurück. »Wo ist denn Ihr Stiefenkel? Ich habe nie ein Kind in dem Haus Ihres Sohnes gesehen.«
    »Stiefenkel, so weit kommt das! Das ist ja das Problem. Sie versteckt ihn.
    Dieser verrückte Söldner will ihn haben, und sie will ihn nicht hergeben. Er hat ihnen schon die Polizei auf den Hals gehetzt. Ich bitte Sie, mein Klaus und die Polizei!« Erregt betastete sie ihre verschwitzten weißen Haare.
    »Stellen Sie sich vor, diese Frau plant jetzt, ein Kind von Klaus zu kriegen, damit man sie nicht in Beugehaft nehmen kann - so ein Mittel zum Zweck wird dann mein Enkel!« Ihre Miene zeigte deutlich, was sie von ihrer Schwiegertochter hielt.
    Henrietta saß stumm. »Geschafft!«, hatte Marina gerufen, nachdem sie sich übergeben hatte, und richtig glücklich ausgesehen. Bekam sie ein Baby? Hinter Marina waren die her, nicht hinter ihrem Mann, Jack, dem Leoparden, der Julia einfach nur hübsch fand! Mad Milton Miller war ganz sicher nicht an ihnen interessiert, und diese kernigen Typen, die sie am ersten Tag bei ihnen gesehen hatte, waren Jacks Spielkameraden. Vergeblich versuchte sie Ordnung in das Chaos ihrer Gedanken zu bringen. Lange nachdem Frau Horstmann sie verlassen hatte, grübelte sie, wie sie sich so geirrt haben konnte und wie sie das lan beibringen konnte. Abends machte sie sich besonders hübsch, kochte sein Lieblingsessen, brachte ihm die Zeitung, redete nicht ein einziges Mal wider, war einfach zuckersüß und lieb. Irgendwann legte er irritiert seine Gabel hin und sah ihr forschend in die Augen. »Also, Honey, was ist los, du bist heute so zahm, dass es mir unheimlich ist.«
    Verlegen beichtete sie ihre Fehleinschätzung ihrer Nachbarn. Langsam kroch ihm die Röte den Hals hoch ins Gesicht, seine tiefblauen Augen tanzten wie blaue Flammen, und dann lachte er, wie sie ihn noch nie hatte lachen sehen. Ihm liefen die Tränen herunter, er brachte kein Wort heraus, er hielt sich die Seiten, so dass sie zeitweilig besorgt war, dass er sich Schaden antun würde.
    »Oh, Liebling«, murmelte er endlich mit den Lippen auf ihrer Schulter, »du hast dich von der Paranoia hier anstecken lassen. Überall entdeckst du Ver-204
    schwörungen, fühlst dich verfolgt. Es machte mir wirklich Sorgen, und ich hab versucht, dir zu zeigen, dass die Horstmanns harmlose Spinner sind. Wie du siehst, hatte ich Recht.« Das steckte hinter seiner Haltung den Horstmanns gegenüber? »Deswegen warst du so nett zu dieser - zu Marina, um mir zu zeigen, dass ich mich geirrt habe? Deswegen?«
    »Liebes ...«, er zog sie in die Arme, »... du warst doch nicht etwa eifersüchtig? Auf Marina?« Ungläubig beobachtete er ihr beredtes Mienenspiel.
    »Du warst eifersüchtig! Das kann doch nicht sein!« Seine Halsgrube roch warm und vertraut, sein Puls klopfte unter ihren Lippen. Sie schob ihre Hand unter seinen Pullover, und der Abend wurde noch wunderschön.
    Die Lektion jedoch, die sie daraus lernte, brachte sie Jahre später in große Gefahr. Ihr Leben lang hatte sie sich auf ihren Instinkt verlassen können, jetzt war sie unsicher geworden. Bisher hatte sie sich durchs Leben bewegt wie ein Hochseilartist auf seinem Seil, immer vorsichtig prüfend, ob der nächste Schritt vor ihr auch sicher war. Nun hatte sie sich überreden lassen zu glauben, dass es kein Seil war, sondern ein breiter, sicherer Weg.
    So legte sie ihren Balancierstab nieder und schritt munter drauflos. Das war 1974.
    205
    Sonnabend, den 23. Dezember 1989
    Landung in Durban
    Nach Afrika nimmt der Reisende in diesen Tagen ein Flugzeug, die mächtige Flugmaschine, wie Sarah es nannte. In einer einzigen Nacht jagt er in einer Metallröhre, nur getrennt durch eine dünne Aluminiumhaut vom sicheren Tod, über ein Dutzend Länder auf zwei Kontinenten. Angeschnallt auf einem engen Sitz, Mensch an Mensch, zur Bewegungslosigkeit verurteilt, starrt er auf den Fernsehschirm, wo eine Linie wie eine träge Schlange kriechend seinen Weg auf einer Landkarte nachzeichnet.
    Seine Sinne spüren nichts von Afrika, den dichten Palmenwäldern des Westens, dem heißen Wind der Sahel, der alles Leben eintrocknet, ahnen nicht die göttliche Schönheit des Kilimandscharo. Seine Nase bleibt unbelästigt vom Blutgeruch Zentralafrikas, kein Duft nach trockenem Gras, Gewürznelken, und Rauch der Holzfeuer erzählt ihm eine Geschichte, er weiß nichts von der verborgenen Welt unter dem Blätterdach der ewig nebligen Regenwälder. Unter ihm

Weitere Kostenlose Bücher