Perry Rhodan - 2571 - Die zeitlose Welt
Prolog:
Auf dem Weg nach ESHDIM-3
»Woran denkst du?«, fragte die Frau.
»An dich«, sagte Perry Rhodan. »Unter anderem.«
»Oh«, sagte die Frau. »Warum auch nicht.«
Sie musterte ihn neugierig. »Was denkst du über mich? Oder ist diese Frage zu indiskret?«
Sie hatte das eine Bein über den Oberschenkel des anderen gelegt, der Fuß wippte frei in der
Luft. Die Hände hielt sie hinter dem Knie verschränkt.
Die Haltung gab ihr etwas von einem Teenager. Dabei war die Frau kein Teenager - sie war
wesentlich jünger.
Eigentlich existiert sie erst seit vier Monaten, überlegte Rhodan.
Andererseits war sie älter als jeder Teenager, schätzungsweise 80.000 Jahre alt - und dafür
noch sehr rüstig. Er musste bei diesem Gedanken lachen.
»Du lachst über mich?«
»Ich frage mich, wie alt du wirklich bist. Oder ist diese Frage zu indiskret?«
»Indiskret ist sie nicht«, sagte die Frau. »Ich weiß nur nicht, aus welcher Perspektive ich
sie dir beantworten soll. Alterung ist etwas, das für biologische Wesen eine ganz andere
Bedeutung hat als für mich.« Sie lächelte ihm verblüffend charmant zu. »Schließlich lebe ich
nicht.«
»Nein?«, fragte Rhodan.
»Verpasse ich damit etwas? Oder ist diese Frage zu indiskret?«
Rhodan legte die Stirn in Falten. »Ob du etwas verpasst? Das will ich hoffen. Aber ich
betrachte diese Frage natürlich aus der Perspektive eines Lebewesens.«
Mikru war kein Lebewesen. Sie war ein Avatar, eine holografische Darstellung von MIKRU-JON,
dem Museumsraumer der Halbspur-Changeure. Freilich verfügte das Schiff über ein Eigenbewusstsein
- also auch sein Avatar.
Galt Bewusstsein seiner selbst zu haben nicht als ein Kennzeichen höheren Lebens?
»Leben«, sagte er gedehnt. »Das ist ein weiter Begriff.«
»Ein manchmal zweifelhafter Begriff«, sagte Mikru.
Rhodan nickte. »Ich frage mich, welche Art von Leben Clun'stal lebt.«
»Ein kristallines Leben«, schlug Mikru vor und lächelte. »Schließlich ist er ein
Kristallingenieur.«
»Was immer das heißt«, sagte Rhodan. Er überlegte, wo sich der Esnur zu diesem Zeitpunkt
aufhalten mochte. Clun'stal war mit dem Essa Nur Chal'tin von Bord des Ja'woor-Schiffes
aufgebrochen, um etwas über sein vergessenes Leben zu erfahren.
Aufgebrochen, nachdem er Rhodan um Erlaubnis gebeten hatte - als wäre der Esnur ihm gegenüber
dienstpflichtig.
»Ein merkwürdiges Geschöpf«, murmelte
Perry Rhodan.
»Wen meinst du?«, fragte Mikru. »Mich?«
»Ausnahmsweise denke ich mal nicht an dich«, erwiderte Rhodan.
»Also immer noch an Clun'stal«, erriet Mikru.
Rhodan nickte. »Den Kristallmenschen.«
»Erscheint er dir menschlich?«, fragte Mikru neugierig.
»Manchmal«, sagte Rhodan. »Selten. Meist ganz exotisch. Völlig unbegreiflich.«
Mikru blickte ihn versonnen an. »Meinst du nicht, dass du auf ihn einen ebenso exotischen,
unbegreiflichen Eindruck machst? Manchmal?«
»Immerhin bestehe ich nicht aus Kristallen«, verteidigte er sich.
»Nein«, gab Mikru zu. Sie löste ihre
Hände vom Knie und stellte das Bein auf den Boden. Sie beugte sich vor und sagte: »Du bestehst
aus viel exotischeren Stoffen.«
Rhodan seufzte. »Wie auch immer: Ich hoffe jedenfalls, dass Clun'stal findet, was er
sucht.«
»Er sucht sich selbst«, erinnerte ihn Mikru.
»Umso wichtiger«, sagte Rhodan. Er überlegte, wohin Chal'tin den Esnur gebracht haben mochte. Vielleicht auf eine Welt der Essa Nur. Wie mochte eine solche Welt aussehen?
Vor seinem inneren Auge entstand das Bild einer Metropole aus wolkenhohen gläsernen Türmen,
die in allen Farben des Spektrums schillerten. Auf den weiten offenen Plätzen rätselhafte,
kristalline Skulpturen. Überall Kristallmenschen: Esnur und Essa Nur, in schwarze Gewänder
gekleidet oder in helle glitzernde Roben wie aus Tautropfen gewoben.
Kristallwesen, die miteinander redeten, gestikulierten, vielleicht sogar lachten.
Und die Clun'stal aufnahmen in ihre Mitte: den lange Verschollenen, der sich selbst vergessen
hatte. Den Ahnen, wie ihn Chal'tin genannt hatte.
»Du träumst?«, fragte Mikru. »Oder ist diese Frage zu indiskret?«
Rhodan lächelte den Avatar an. »Ja, ich träume. Und wenn du es genau wissen willst: Ich träume
von Clun'stal. Von der Welt, auf der er sich zusammen mit Chal'tin aufhalten mag.«
»Deine Träume müssen keine Ähnlichkeit mit seinen Träumen haben«, mahnte Mikru. »Und euer
beider Träume keine Ähnlichkeit mit der
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