Insel aus Stein: Mittsommerglück (German Edition)
sehnte, ihm endlich wieder nahe zu sein, sosehr fürchtete sie sich vor seiner Reaktion auf ihr unangemeldetes Erscheinen. Es stimmte, er hatte mit ihr geschlafen, doch von mehr war zwischen ihnen niemals die Rede gewesen. Cassie indes wusste inzwischen genau, dass sie sich ein Leben ohne Dale nicht mehr vorstellen konnte. Und sie war auch bereit, um seine Liebe zu kämpfen. Selbst wenn das bedeutete, dass sie seine Liebe mit seiner verstorbenen Frau würde teilen müssen.
Die Frage war bloß, ob Dale sie überhaupt um sich haben wollte. Cassie war klar, dass er die Bilder, die ihren Exfreund Liam und sie gemeinsam am Heathrow-Airport zeigten und die von der Presse vollkommen falsch interpretiert worden waren, bereits gesehen haben musste. Sie wusste jedoch nicht, was er darüber dachte. War er enttäuscht und verletzt? Oder war es ihm am Ende vielleicht völlig gleichgültig, weil sie ihm ohnehin nichts bedeutete?
Das Motorboot legte an dem kleinen Steg an, und Cassie ging von Bord. Ihr fiel sofort auf, dass der Platz, an dem die Skägård für gewöhnlich ankerte, verlassen war. Mit den wenigen Worten, die sie auf Schwedisch sprach, versuchte sie, dem Bootsführer zu verstehen zu geben, dass er auf sie warten sollte. Dann ging sie zum Haus hinauf.
Malin stand auf der Veranda und schaute aufs Meer hinaus, so als würde sie auf etwas warten. Als sie Cassie erblickte, wurde ihr Gesicht von einem freudigen Strahlen erfüllt. “Cassie! Lieber Himmel, wie bin ich froh, Sie zu sehen. Seit Sie abgereist sind, scheint uns auf Svergå auch das Glück endgültig verlassen zu haben.”
“Was ist passiert?”, fragte Cassie erschrocken. “Ist etwas mit Dale?”
“Ach, er ist einfach nicht mehr derselbe, seit Sie nach London zurückgekehrt sind. Ich glaube, er hoffte inständig, dass Sie zu uns zurückkehren würden, doch als dann diese schrecklichen Bilder im Fernsehen gezeigt wurden …”
Cassie nickte düster. “Ich kann mir gut vorstellen, welche Bilder Sie meinen. Ich muss Dale unbedingt erklären, was es damit auf sich hat. Können Sie mir sagen, wo er ist, Malin?”
“Es tut mir leid, aber ich weiß es selbst nicht so genau. Er ist mit der Skägård rausgefahren, ohne mir zu sagen, wo er hinwollte.” Sie atmete tief durch. “Aber ich kann mir schon denken, wo er steckt. Sie können die Sache wirklich aufklären?”
“Ja, und ich kann nur hoffen, dass Dale mir glaubt. Wo ist er, Malin? Bitte, sagen Sie es mir.”
Dale wischte sanft ein paar Blätter von dem hellen Marmorgrabstein, dann ging er neben dem niedrigen Erdhügel, der das Grab seiner Frau auf der Insel Söderland bedeckte, in die Knie und barg das Gesicht in den Händen.
“Annika”, schluchzte er, seine Schultern bebten. “Sag mir, was soll ich tun? Du bist der einzige Mensch auf der Welt, mit dem ich immer reden konnte. Du fehlst mir so.”
Tränen standen ihm in den Augen, als er das kleine lederne Buch aus der Tasche holte, in dem er nach Cassies Abreise weitergelesen hatte: Annikas Tagebuch. Die Worte, in Annikas wunderbar einzigartigen Schrift verfasst, waren für ihn wie eine Offenbarung gewesen: In einem ihrer letzten Eintragungen hatte sie geschrieben, wie sehr sie ihn liebte und wie sehr sie hoffte, dass er eines Tages – sollte sie vor ihm sterben – mit einer anderen Frau glücklich werden würde. Ob sie etwas von dem drohenden Unglück geahnt hatte? Eine einsame Träne lief über Dales Wange. Die ganze Zeit über hatte er sich gegen seine Gefühle für Cassie gewehrt, weil er geglaubt hatte, damit Verrat an Annika zu begehen. Erst jetzt war ihm klar geworden, dass seine Frau immer nur eines gewollt hatte: ihn glücklich zu sehen.
Doch jetzt war es zu spät.
Als er die Bilder von Cassie und diesem Liam Masterson im Fernsehen gesehen hatte, war es wie ein Schlag ins Gesicht für ihn gewesen. Er hatte zu lange gezögert, Cassie seine wahren Gefühle zu gestehen. Nun hatte er sie an einen anderen Mann verloren. Dabei war er so sicher gewesen, dass sie ebenfalls etwas für ihn empfand. Konnte er sich denn wirklich so getäuscht haben? War es für sie nur eine rein körperliche Anziehung gewesen?
“Hast du einen Rat für mich, Annika?”, fragte er leise. “Ich weiß nicht, wie ich ohne sie weiterleben soll.”
Das Rauschen des Windes in den Kronen der Bäume war die einzige Antwort, die er erhielt. Und dann hörte er plötzlich eine Stimme, die seinen Namen rief.
“Dale?”
Er schaute auf. Die Wolken, die den Himmel
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