1341 - Die Wiege des Kretins
Seine Zukunft sah auf eine gewisse Art und Weise gut aus. Er freute sich darauf, die Klinik verlassen zu können. Zugleich fürchtete er sich davor, denn Godwin de Salier war klar, was ihn erwartete.
Fünf tote Templer. Verletzte Freunde. Ein durch einen Bombenanschlag halb zerstörtes Kloster, das wieder aufgebaut werden musste. Er würde es tun, zusammen mit den noch Überlebenden, das hatten ihm die Brüder bei ihren Besuchen versprochen.
Diesmal hatte es so ausgesehen, als hätten seine Feinde, die Baphomet-Templer, gewonnen. Doch nicht für immer, denn es gab Menschen, die nicht aufgaben. Zu ihnen gehörten nicht nur Godwin und seine Freunde, sondern auch die beiden Engländer John Sinclair und Suko, die sich ebenfalls noch in Alet-les-Bains aufhielten.
Sie würden allerdings bald wieder nach Hause fliegen. Dann musste sich Godwin allein um den Aufbau kümmern und auch um dessen Finanzierung.
Große Ideen hatte er da noch nicht. Er hoffte aber, durch Spenden weiterzukommen, doch all das kostete Zeit, und dann musste das Geld erst mal aufgetrieben werden.
Zu stark wollte er sich mit diesen Gedanken nicht beschäftigen.
Erst einmal musste er gesund werden, und da war er guter Hoffnung. Er war unter den Trümmern begraben worden, aber er hatte sich nichts gebrochen, und das war sehr wichtig.
Die Prellungen und blauen Flecken ließen sich aushalten. Zudem hatte man ihn gut behandelt. Die ersten Gehversuche lagen ebenfalls hinter ihm, und sie hatten gut geklappt. Nur kam er sich bei den Schritten immer noch vor wie von einem starken Muskelkater geprägt.
Godwin de Salier hatte noch nicht oft im Krankenhaus gelegen.
Eines stand fest. Es stimmte, dass man als Patient Durst bekam, wenn man hier seine Tage und Nächte verbrachte. Auch Godwin verspürte den Durst und wollte Abhilfe schaffen.
Die Wasserflasche stand in der Nähe. Eine aus Plastik, die ihm ruhig aus der Hand hätte rutschen können. Er drehte sie auf und setzte die Öffnung an die Lippen.
Das Wasser war lauwarm. Es floss in seine Kehle und erfrischte ihn, zumindest für den Augenblick. Einen zweiten Schluck trank er noch und setzte sich dann auf.
Sein Blick glitt nach vorn.
Eigentlich wäre es für ihn an der Zeit gewesen, das Licht einzuschalten. Andere Patienten schliefen um diese Zeit. Doch das wollte er nicht. Um den Schalter zu erreichen, brauchte er nur die Hand auszustrecken. Er befand sich dicht am Bett.
Godwin wollte den Knopf drücken, der wie ein silbrig glänzender Wassertropfen aussah, als er mitten in der Bewegung innehielt.
Etwas war anders geworden.
Zwischen Bett und Fenster stand jemand!
***
Der Templer erschrak bis ins Mark. Die Haut in seinem Nacken und auch im Rücken zog sich zusammen. Ihm wurde plötzlich eisig kalt.
Er hielt den Atem an.
Traum? Wirklichkeit? Halluzination?
Diese Begriffe jagten durch seinen Kopf. Eigentlich war es unmöglich, dass sich eine fremde Person im Zimmer aufhielt, aber er täuschte sich nicht. Da war jemand!
Nein, da ist niemand!, redete er sich ein. Es konnte niemand das Krankenzimmer betreten, ohne dass er etwas gehört hätte. Das Fenster und die Tür hatte er im Blick. Eben die beiden Ein- oder Ausgänge. Er hätte etwas sehen müssen, wenn eines von ihnen geöffnet worden wäre.
Das war nicht der Fall gewesen. Tür und Fenster hatten sich nicht bewegt.
Es hatte auch keinen Spalt gegeben, durch den sich jemand hätte schieben können.
Trotzdem war es passiert…
Godwin wusste nicht, was er denken sollte. Er blickte starr nach vorn und hielt auch weiterhin so lange die Luft an, bis es ihm nicht mehr möglich war. Danach atmete er tief durch. Dabei schloss er die Augen und wünschte sich, dass die Gestalt wieder verschwunden war, wenn er erneut hinschaute.
Er zählte innerlich bis fünf, öffnete die Augen – und sah sie erneut.
Jetzt wusste er, dass er sich nicht getäuscht hatte. Es gab sie, aber er konnte nicht sagen, ob es sich dabei um eine Frau oder einen Mann handelte. Sie hielt sich dort auf, wo die letzte Helligkeit und die Dämmerung zusammenliefen. Sie hatte also eine Grenzposition erreicht. Eine Lücke zwischen zwei Welten, halb in einer, halb in der anderen.
Godwin de Salier war an Überraschungen gewöhnt. Nur hatte er gedacht, sie hinter sich zu haben. Das schien nicht der Fall zu sein.
Dabei hatte man schon versucht, ihn zu ermorden, denn die andere Seite war ihm auf der Spur geblieben. Ein gewisser Saladin hatte es sogar geschafft, seinen Freund Suko zu
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