Insel aus Stein: Mittsommerglück (German Edition)
mir, hätte ich gewusst, dass ausgerechnet
du
es bist, die ich hier abholen soll, hätte ich mir garantiert eine Ausrede einfallen lassen.”
“Du bist hier, um mich abzuholen?” Cassie blinzelte verblüfft. “Aber warum denn das? Oder bist du neuerdings bei Dolphin Books als Chauffeur angestellt?”
“Wohl kaum”, entgegnete Liam Masterson, der Mann, der ihr ganzes Leben ins Chaos gestürzt hatte, gereizt. “Aber ehrlich gesagt, ich verstehe diese Sache auch nicht so ganz. Als Janet mich bat, eine ihrer Lektorinnen vom Flughafen abzuholen, hatte ich ja keine Ahnung, dass es sich um dich handelt.”
“Moment mal. Deine Frau hat dich geschickt, um mich hier aufzusammeln?”, wiederholte Cassie verwirrt. “Ausgerechnet dich?”
Liam zuckte mit den Schultern. “Ich sagte ja bereits, dass ich es mir auch nicht erklären kann. Sie sagte, ich soll dich am Verlag absetzen, sie würde dich bereits erwarten.” Er seufzte. “Wir sollten versuchen, diese peinliche Angelegenheit möglichst mit Anstand hinter uns zu bringen, meinst du nicht? Mein Wagen steht draußen. Ich wäre dir zutiefst verbunden, wenn wir so schnell wie möglich verschwinden könnten, ehe uns jemand zusammen sieht.”
Die Fahrt nach London verlief schweigend. Cassie und Liam hatten sich nichts mehr zu sagen. Das Schicksal hatte sie beide einmal ihren Weg kreuzen lassen, und dieses eine Mal reichte wenigstens Cassie für den Rest ihres Lebens.
Gedankenversunken starrte sie aus dem Fenster, während die Lichter der Londoner City an ihr vorüberzogen. Endlich hatten sie die überfüllte Oxford Street, in der sich einkaufswütige Menschenmassen über die Bürgersteige quälten, hinter sich gelassen und erreichten die weit weniger befahrene New Oxford Street, auf der sich die Büros von Dolphin Books befanden. Neben einem Tesco Supermarkt hielt Liam an und ließ Cassie aussteigen.
“War nett, dich wiederzusehen”, sagte er, doch Cassie wusste, dass es nur eine leere Floskel war. Sie selbst empfand ebenso. Liam Masterson konnte ihr gestohlen bleiben.
Der Concierge schickte Cassie direkt durch bis zum Büro von James Berkeley, in dem jetzt, wie sie wusste, Janet Masterson ihre Zelte aufgeschlagen hatte. Ihr Herz flatterte nervös.
Janet Masterson saß hinter dem wuchtigen Mahagonischreibtisch von Mr. Berkeley und telefonierte gerade, als Cassie eintrat. Sie war überrascht, was für eine kleine, zierliche Person Liams Ehefrau war. Nach allem, was geschehen war, hatte Cassie sie sich viel größer und dominanter vorgestellt. Mit einem knappen Wink gebot sie Cassie, Platz zu nehmen.
Das Telefonat schien kein Ende zu nehmen, und mit jeder Minute wuchs Cassies Nervosität. Dales Manuskript schien ein Loch in ihre Handtasche zu brennen. Sie war beinahe erleichtert, als Janet Masterson schließlich das Gespräch beendete.
“Als ich sagte, dass ich Sie pünktlich in meinem Büro erwarte, meinte ich damit nicht, dass Sie bereits einen ganzen Tag zu früh erscheinen sollen, Miss Dorkins”, sagte sie und lehnte sich in ihrem ledernen Chefsessel zurück. “Aber da Sie nun einmal hier sind, können wir ebenso gut auch gleich alle Angelegenheiten regeln, nicht wahr?”
Cassies Magen zog sich zusammen. Angelegenheiten regeln? Das ließ nicht besonders hoffen. Trotzdem. Sie atmete tief durch und nahm all ihren Mut zusammen. Sie musste es wenigstens versuchen, sonst war die Schlacht bereits verloren, ehe sie begonnen hatte.
Mit zitternden Fingern holte sie das Manuskript von
Einsame Herzen
aus ihrer Tasche und schob es über den Schreibtisch, sodass Janet Masterson den Titel lesen konnte. Diese runzelte missbilligend die Stirn. “Wie oft muss ich Ihnen eigentlich noch sagen, dass der Verlag kein Interesse mehr an Mr. Prescotts Roman hat? Sie haben die ganze Mühe umsonst auf sich genommen, Miss Dorkins. Packen Sie diesen wertlosen Stapel Papier wieder weg und lassen Sie uns über Ihre Zukunft sprechen.”
Cassie schüttelte den Kopf. “Ich bitte Sie, Mrs. Masterson,
Einsame Herzen
ist eines der besten Manuskripte, die ich jemals zu Gesicht bekommen habe. Sie sollten Mr. Prescott noch eine Chance geben. Ich erkenne einen Bestseller, wenn ich einen sehe.”
“Sie glauben also, der Roman taugt etwas, ja?” Janet Masterson lächelte kalt. “Nun, wenn ich ehrlich sein soll, es ist mir egal. Wie ich bereits sagte, der Verlag kann keine Autoren gebrauchen, die ihre Termine nicht einhalten.”
“Aber wollen Sie nicht wenigstens einen Gutachter
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