Inselkönig
vorbereitet worden war, und war am Sonnabend nach
Föhr gereist. Mit Unterstützung der Beamten der einheimischen
Polizeizentralstation hatten sie das Fälschernest ausgehoben und die Beweise
sichergestellt. Der junge Mann hatte sich reuig gezeigt und ein umfangreiches
Geständnis abgelegt. Es war ein Routinefall, der für die Kriminalpolizeistelle
in der Husumer Polizeidirektion nichts Spektakuläres bedeutete und, abgesehen
von der üblichen administrativen Nachbearbeitung, abgeschlossen war.
Christoph hatte zwei dienstfreie Tage genutzt, um mit
Anna ein paar ruhige Stunden auf Föhr zu verbringen. Morgen würde er am Husumer
Schreibtisch wieder seiner Tätigkeit als Leiter der Kriminalpolizei nachgehen,
und Anna würde sich der Sorgen kranker Mitbürger annehmen, die ihr in der
Praxis von Dr. Hinrichsen im Husumer Schlossgang vorgetragen wurden. Morgen war
wieder Alltag, auch wenn das trübe Wetter den Abschied vom Kurzurlaub nicht
schwerfallen ließ.
Christoph hatte die Fahrzeugtüren entriegelt, die
Beifahrerseite geöffnet und Anna einsteigen lassen. Nachdem er selbst hinterm
Steuer Platz genommen hatte, zeigte Anna zum Himmel.
»Ob das liegen bleibt?«
»Doch nicht bei uns. Wann hast du das letzte Mal
Schnee gesehen in Nordfriesland? Durch die gespeicherte Wärme des Wassers kann
die Luft gar nicht so weit abkühlen, dass der Niederschlag als Schnee fällt,
geschweige denn liegen bleibt.«
Anna kuschelte sich in ihre Winterjacke. »Es ist dumm,
dass dein Auto keine Standheizung hat.«
Christoph stöhnte theatralisch auf. »In unserer
gemäßigten Klimazone sind solche Extravaganzen Luxus. So üppig werden die
Staatsdiener nicht besoldet, dass sie sich jedes verfügbare Extra leisten können.«
»Nun stöhne nicht«, erwiderte sie. »Außerdem kommt
dein Auto aus Schweden. Da müssten Standheizungen doch serienmäßig eingebaut
sein.«
»Frauen und Technik … Ich habe dir bereits erklärt,
dass hier kein Schnee liegen bleibt.«
»Sooo?«, fragte Anna spitz. »Und was ist das?« Sie
nickte mit dem Kopf zur Frontscheibe, über die mit schabendem Quietschen die
Gummis der Scheibenwischer kratzten, nachdem Christoph die Zündung angeschaltet
und den Hebel am Lenkrad kurz angetippt hatte.
»Konzentriere du dich auf das Wesentliche«, sagte er
lachend, »und sammle vor allem keine Indizien, die du gegen mich verwenden
könntest.«
»Dann ist das da draußen nur ein Luftschloss? Ein
weißes Phantasiegebilde?«
Christoph sah aus dem Fenster. Die Hallig war schon lange ihrem Blick entschwunden. Jetzt sah man auch vom Wasser hinter der
Verladebrücke nur noch eine weiße Wand. Die großen Lampen auf dem Parkplatz
waren angegangen und beleuchteten das dichte Schneetreiben. Der kräftige Wind
ließ die hohen Masten hin und her schwanken. Die Böen rüttelten am Fahrzeug,
und das Heulen des Windes, der sich an den Kanten und Ecken des Volvos fing,
klang wie ein mystisches und anheimelndes Lied zugleich.
Christoph sah den Flocken hinterher, die wild über das
Pflaster des Parkplatzes tanzten. Er summte leise die ersten Takte des
Säbeltanzes, bis Anna ihn fragend ansah. Dann zeigte er nach draußen. »Die
Flocken tanzen wie die Derwische im Wind. Diese Rauheit der Natur ist doch ein
unbeschreibliches Geschenk, das wir zum Glück noch nicht beeinflussen können.«
Anna zog demonstrativ den Kragen ihrer Jacke noch
weiter zu. »Brrr«, sagte sie überbetont. »Ich kann diesem Geschenk nichts abgewinnen. Das ist eher ein Dänengeschenk.«
»Danaergeschenk«, korrigierte sie Christoph. »Das ist
eine Gabe, die sich für den Empfänger als unheilvoll erweist. Das bekannteste
Beispiel ist das Trojanische Pferd.«
»Nun sei nicht so kleinlich.«
»Die Dänen, denen du so etwas in die Schuhe schieben
möchtest, sind doch liebenswerte Nachbarn, fern jeder Bösartigkeit.«
Anna schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Und wenn
sie uns nun diesen Schnee schicken?«
»Der kommt aus dem Osten.«
»Wie willst du das erkennen?« Sie zeigte zur Seite,
nachdem sich auf der Frontscheibe schon wieder eine Schneeschicht gebildet
hatte. »Im Augenblick kommt das weiße Zeug von überall her.«
Christoph musste ihr recht geben. Tatsächlich wirbelte
der Wind die Schneewand so durcheinander, dass es unmöglich war, eine Richtung
zu bestimmen. Christoph sah auf die Uhr. »Noch eine Viertelstunde. Dann sind
wir auf der Fähre und dampfen Richtung Heimat.«
»Die müsste doch schon da sein«, sagte Anna. »Weshalb
hat die
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