Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inselkönig

Inselkönig

Titel: Inselkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
Vom Netzwerk:
Verspätung?«
    »Weil der Kapitän bei der schlechten Sicht seinen
Bootsmann mit einem Ruderboot vorwegschickt, sozusagen als Pfadfinder. Und der
ist nun einmal nicht so schnell.«
    »Ich glaube, ich verzichte auf deine Erläuterungen.
Jetzt wird es aber wirklich kalt.« Sie zog den Kopf zwischen die
Schulterblätter.
    Christoph hatte das Gebläse angeschaltet, weil die
feuchte Atemluft sich auf den Innenseiten der Scheiben niederschlug und ihnen
die Sicht nahm.
    »Wir haben zwei Grad minus«, erklärte er, nachdem er
einen Blick auf das Thermometer seines Bordcomputers geworfen hatte.
    »Dazu brauche ich nicht so ein Ding. Das hätte ich dir
auch so sagen können.«
    Christoph nahm sie in den Arm und rieb ihre
Winterjacke. »In ein paar Minuten bekommst du auf der Fähre einen heißen Tee.
Dann ist alles vergessen.«
    »Tee? Ich werde mindestens zwei Pharisäer trinken.«
    »Sieben«, korrigierte Christoph sie. »Nach gutem
Brauch bekommst du den siebten überall an der Küste umsonst.« Er sah an ihr
vorbei. »Hoppla, was will der denn?«, fragte er.
    »Wer?« Annas Stimme klang müde. Sie hatte sich an
Christophs Schulter eingekuschelt.
    »Der Streifenwagen.« Christoph sah dem grün-weiß
lackierten VW Bulli nach, der
langsam über den Parkplatz fuhr, als suche er etwas. Als das Fahrzeug neben
Christophs Volvo stand, stoppte es, und der Beamte am Steuer stieg aus. Mit der
linken Hand hielt er seine Mütze fest, die ihm sonst vom Kopf gerissen worden
wäre. Er neigte seinen Oberkörper ein wenig, umrundete Christophs Kühlerhaube
und kam zur Fahrertür.
    »Herr Thomsen«, sagte Anna. »Was will der denn? Noch
mal tschüss sagen?«
    Christoph beugte sich über seine Sitzlehne und griff
zum hinteren Türöffner. Hauptkommissar Hauke Thomsen, der Leiter der
Polizeizentralstation auf Föhr, ließ sich in den Fond fallen, nahm seine
Dienstmütze ab, wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und sagte: »Das
ist aber plötzlich gekommen. Damit hatte ich nicht gerechnet.«
    »Es ist Winter«, erwiderte Christoph und erntete dafür
einen spöttischen Blick von Anna.
    »Ich habe gehört, dass die Schneefront von Osten
kommt«, erklärte der Hauptkommissar. »An der Ostküste soll schon der Teufel los
sein. Es werden die ersten Schneeverwehungen gemeldet. Das Zeug bläst mit
Macht. So was hatten wir schon lange nicht mehr.«
    »Man sollte sich nicht voreilig erschrecken lassen«,
wiegelte Christoph ab. »Wollten Sie uns warnen? Das ist aber nett. Trotzdem
hätten Sie sich deshalb nicht herbemühen müssen.«
    »Das ist es auch nicht. Wir haben da etwas
Merkwürdiges hereinbekommen. Eine Vermisstenmeldung.« Hauptkommissar Thomsen
sah erst Christoph, dann Anna an. Er hatte eine Augenbraue fragend in die Höhe
gezogen, als er sich wieder Christoph zuwandte.
    »Wenn es etwas geheimnisvolles Dienstliches sein
sollte … Ich steige bei diesem Wetter nicht aus«, protestierte Anna vorbeugend.
    Thomsen nickte. »Bei uns auf Föhr ist vieles anders
als auf dem Festland. Allein durch die Insellage«, erklärte er beiläufig. »Wir
beschäftigen uns hier mit anderen Dingen als drüben. So gibt es bei uns auch
selten bis gar nicht eine Vermisstenmeldung. Schön, es kommt mal vor, dass ein
paar Tiere ausgebrochen sind. Aber Menschen … Manchmal melden sich besorgte
Touristen, wenn ihre unbedarften Angehörigen nicht zur erwarteten Zeit vom
Spaziergang aus dem Watt zurückgekehrt sind. Aber dies – das ist etwas
anderes.«
    »Ein Kind?«, mischte sich Anna ein. Besorgnis schwang
in ihrer Stimme mit.
    »Nein«, beruhigte Thomsen sie. »Ein Mann.
Einheimischer.«
    »Ist er krank? Dement? Gibt es andere Gründe, die
seine Abwesenheit erklären könnten?«
    Thomsen schüttelte den Kopf. Dabei verteilten sich
kleine Wassertropfen, so als würde sich ein Hund nach dem Aufenthalt im Wasser
schütteln. »Nichts trifft zu. Sie können zudem sicher sein, dass ich nicht um
Ihren Rat gebeten hätte, wenn der Verdacht bestehen würde, der Vermisste sei
geschäftlich oder privat auf dem Festland unterwegs oder habe sich womöglich
bei irgendeinem Tête-à-Tête verzettelt. Obwohl es ihm zuzutrauen wäre«, schob
Thomsen ein wenig leiser hinterher. »Es handelt sich um einen prominenten
Insulaner. Man nennt ihn den ›Inselkönig‹.«
    Christoph lachte laut auf. »Das klingt gewaltig. Die
Insulaner sind doch stets sehr selbstbewusst und stolz gewesen und haben sich
erfolgreich gegen jede Fremdbestimmung zur Wehr gesetzt.«
    »Das mag

Weitere Kostenlose Bücher