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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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sich nach Eva um, die mit vor das Gesicht geschlagenen Händen am Türrahmen
lehnte und anfing, hemmungslos zu schluchzen. Er richtete sich auf, ging zu ihr
hinüber und schloss sie in seine Arme.
    »Sie ist tot. Wir können nichts mehr für sie
tun. Was ist passiert?«
    »Ich weiß es nicht. Ich war im Bad, und als
ich rauskam, lag sie da. Wir müssen Hilfe holen. Es gibt kein Telefon hier.«
    Das war das Letzte, was er zulassen durfte,
jetzt, kurz vor seiner Rückkehr nach Hause. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
Zuerst musste er die Frau beruhigen. Gleichzeitig musste er einen Plan machen, wie
er unbeschadet aus der Sache herauskommen konnte. Diese blöde Kuh, was hatte sie
nur angestellt? Dann sah er das pinkfarbene Stanniolpapier auf dem Tisch. Sie ist
doch nicht etwa an der Kirsche erstickt?, sinnierte er entgeistert. Er wandte sich
wieder Eva zu. Sanft führte er sie an den Tisch, setzte sie auf einen Stuhl und
nahm ihr gegenüber Platz.
    »Eva, sieh mich an.« Jussis Stimme klang verletzlich
und hilfsbedürftig. »Wir können keinen Notarzt rufen. Dann würde auch die Polizei
hier auftauchen. Das bedeutet mein Ende, verstehst du? Ich darf nicht arbeiten.
Ich darf hier gar nicht sein, sondern ich müsste mich in Niebüll gemeldet haben.
Und mit der Polizei darf ich schon gar nichts zu tun haben. Ich überlege, wie sie
gefunden werden kann, ohne dass ich da mit drinstecke.«
    Sie schluchzte auf, aber schwieg. Er nahm ihre
Hände, drückte sie und sah ihr ruhig in die verweinten Augen.
    »Eva, sieh mich an. Hast du mich verstanden?«
Er war um unaufgeregte Sachlichkeit bemüht. »Es war ein Unfall. Niemanden trifft
eine Schuld. Es ist Schlimmes passiert, aber es wird Schlimmeres passieren, wenn
wir nicht zusammenhalten. Willst du mir helfen, Eva?«
    Ein flehentlicher Unterton hatte sich in seine
Stimme geschlichen. Eva rang mit sich und ihren widerstreitenden Gefühlen.
    »Natürlich will ich dir helfen. Aber wie denn?
Was können wir denn tun?«
    Jussi atmete innerlich auf: Sie war bereit,
sich mit konkreten Schritten zu beschäftigen.
    »Ich werde in die Tiefgarage gehen und meinen
Blaumann und einen blauen Sack aus dem Transporter holen. In der Zwischenzeit suchst
du alles zusammen, was Maxi gehört. Nichts darf hier mehr an sie erinnern. Ich bringe
sie zu meiner Baiba. Sie ist angesehen und einflussreich. Sie wird hinkriegen, dass
ich nicht mit reingezogen werde. Hast du mir zugehört, Eva?«, fragte er sie erneut
flehentlich.
    »Ja, ja, ich hab zugehört, Jussi. Ich mache,
was du sagst. Mach schnell, bitte. Was sagst du, wenn dich jemand sieht?« Jussi
registrierte, dass sie sich der Wirklichkeit stellte.
    »Mich kennt keiner hier im Haus. Die Bewohner
wechseln alle paar Tage und werden mich für den Hausservice halten. Verhalt dich
ruhig und rühr dich nicht von der Stelle. Ich bin gleich wieder da. Und such bitte
Maxis Sachen zusammen. Ich verlass mich auf dich, Eva.«
    Er sah ihr noch einmal tief in die Augen und
strich ihr sanft über das Haar. Dann verschwand er in die Tiefgarage. Er stand in
der Scheiße, und er musste da schnell wieder raus. Mit der Hilfe von Baiba konnte
er nicht rechnen. Sie war eine kluge Frau und würde sofort riechen, dass etwas faul
war. Letztlich würde sie ihre eigenen Interessen wahren und nicht seine. Mit der
Wahrheit konnte er nicht herausrücken. Das wäre sein sicherer Untergang. Er raffte
zusammen, was er aus dem Kasten brauchte, und machte sich auf den Weg zurück in
die Wohnung. Kein Mensch begegnete ihm. Er war jetzt ruhig und entschlossen.
    Eva hatte Maxis wenige Sachen, ihre Tasche,
ihre Sonnenbrille und die abgelegten Sandalen, auf den Tisch gelegt. Sie saß da,
die Arme auf die Platte gelegt, ihren Kopf auf den Unterarmen. Sie schluchzte heftig,
bemühte sich aber, keinen Lärm zu machen. Er trat zu ihr, nahm ihr verheultes Gesicht
in seine Hände und berührte ihre Stirn mit seinen Lippen. Dann sah er ihr in die
Augen und sagte sanft: »Wir müssen jetzt handeln. Ich erledige alles. Geh du nur
und ruh dich aus.«
    »Jussi, ich kann nicht mehr. Lass mich nicht
allein, bitte«, hauchte sie flehentlich.
    »Ich lass dich nicht allein. Ruh dich aus,
ich bin bald wieder bei dir, Eva.« Er strich ihr noch einmal sanft übers Haar.
    Er zog den blauen Overall an, griff den Plastiksack
und begann, ihn über die Tote zu ziehen. Sie war für ihre Größe und Statur überraschend
leicht. Dann legte er ihre Sachen dazu, schob die Beine nach und knotete den Sack
zu. Er

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