Inselkoller
Polizei-Inspektion,
hatte er sich eine Flasche ungarischen Chardonnay von Gosch mitgebracht und kühl
gestellt. Jetzt öffnete er die beschlagene Flasche. An dem auch für Sylt seltenen
warmen Spätsommertag, an dem die Sonne ihm die Haut auf dem Nasenrücken und den
Jochbeinen verbrannt hatte, ließ er sich den kühlen, leicht prickelnden Wein schmecken.
Seine Melancholie wuchs und schickte ihn schließlich in einen leichten Dämmerzustand.
Gedanken kamen und gingen, nur die Frage, warum
der Mörder seine Gönnerin umgebracht hatte, ließ ihm keine Ruhe. Der Hausmeister
hatte ausgesagt, die zurückgebliebenen Pralinen und Vitaminkapseln seiner Chefin
wiedergebracht zu haben. Unter den Kapseln musste sich eine mit Strychnin gefüllte
Pille befunden haben. Der Gerichtsmediziner und die Spurensicherung hatten gute
Gründe vorgebracht, dass das Gift auf diese Weise zu ihr gekommen war. Warum hatte
der Farbige die Kapsel mit Strychnin gefüllt und sie zurück in die Flasche mit den
übrigen Tabletten getan? Wusste sie von seiner Tarnung? Er konnte doch nicht sicher
sein, dass die Kapseln wieder bei seiner Gönnerin landen würden. Der Hausmeister
hätte die Flasche auch wegschmeißen können. Das ergab alles keinen Sinn. Hatte er
sie überhaupt willentlich umbringen wollen? Was war da wirklich passiert? Seine
Fantasie reichte für eine Antwort auf diese Fragen nicht aus.
Er lächelte gequält und stellte das Grübeln
ein. In seinem Innersten glaubte er sowieso, dass nur die Götter und nicht er sich
damit befassen sollten und dass deren verschlungene Wege nur sehr selten für Menschen
einsichtig waren. Nachdem er sich dieses Glaubens versichert hatte, wurde er ruhig.
Die Augen fielen ihm zu. Nach wenigen letzten Schlucken verließ ihn langsam das
Bewusstsein, und er schlief auf seinem Balkonstuhl ein.
Epilog
Sie ließen sich müde auf die Steintreppen vor der Musikmuschel fallen.
»Evachen, ick kann nich mehr. Meene Füße sind
janz kaputt, siehste de Blase anne Ferse da?«
»Warte, bis Jussi kommt. Er kennt sich hier
aus und wird dir helfen können.«
Eva sah versonnen auf das glitzernde Wasser
und schloss die Augen. Maxi verstummte ebenfalls und gab sich ihrer Müdigkeit hin.
So saßen sie stumm nebeneinander und dämmerten unter der im Westen über dem Horizont
stehenden Sonne vor sich hin.
»Hallo, da bin ich.«
Die beiden schreckten aus ihren Träumen hoch.
Sie wendeten die Köpfe in Richtung der Stimme und begrüßten Jussi müde, aber erleichtert.
»Hallo, da bist du ja. Jussi, weißt du, wo
wir hier Pflaster kriegen können? Maxi hat eine Blase am Fuß.«
»In meiner Unterkunft gibt’s Pflaster. Es ist
nicht weit, nur ein paar Schritte. Schaffst du das?«
»Det wird schon jehn. Gehn ma.«
Im Apartment versorgte Jussi Maxis Ferse mit
Desinfektionslösung und Pflaster aus dem Erste-Hilfe-Kasten. Den Frauen fiel sofort
ins Auge, wie geräumig und teuer eingerichtet Jussis Unterkunft war. Das Apartment
hatte zwei Balkone, einen mit Meerblick und einen auf die Wattseite hinaus. Ein
großes, helles Bad erweckte ihre Bewunderung. Sie mussten es natürlich gleich benutzen.
Die beiden waren erstaunt, dass ihm dieser Luxus zur Verfügung stand. Sie fragten
ihn danach, und er erklärte es ihnen wahrheitsgemäß.
Am liebsten wären sie geblieben, um sich auf
einem der Balkone auszuruhen und die Aussicht zu genießen.
»Könn wa det Essen nich aufn Balkon valejen?
Dene reeche Tante hat sichalich nüscht dajejen. Valeicht jibt’s ja einen Pizzaservice,
wat meenste, Jussi?«
»Ich habe eine bessere Idee. Ich hol uns gebratene
Nudeln mit Meeresfrüchten. Ist nicht weit weg von hier. Die hab ich schon mal probiert.
Kann ich nur empfehlen. Mögt ihr Meeresfrüchte?«
Die beiden bejahten und stimmten seinem Vorschlag
begeistert zu.
»Jussi, du brauchst doch Geld. Wie viel wird
das kosten?«
Eva zückte ihr Portemonnaie und hielt ihm 20
Euro hin.
»Lass nur, ich lad euch ein. Seid ihr nicht
arbeitslos? Ich verdiene jetzt Geld. Dauert vielleicht eine halbe Stunde. Macht’s
euch bequem und schaut euch den Sonnenuntergang an. Bis gleich.«
Auf dem Weg zu Gosch beschlich ihn ein leiser
Zweifel, ob es eine gute Idee gewesen war, die beiden mit in das Apartment zu nehmen.
Aber was sollte schon passieren? Sie waren zwei nette Mädels und ganz offensichtlich
ohne Argwohn und schlechte Absichten. Er würde einen unterhaltsamen Abend mit ihnen
verbringen, reden und Erinnerungen austauschen. Dagegen konnte niemand
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