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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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schreckliche Gefühl, unendlich tief zu fallen, und wache meistens schweißgebadet auf.«
      Banks dachte einen Augenblick nach. »Klingt sehr interessant«, sagte er, »aber haben Sie schon mal überlegt, dass Sie bei uns vielleicht an der falschen Adresse sind? Das Deuten von Träumen und Visionen gehört nicht zu unseren Spezialgebieten.«
      Singer war beharrlich. »Es war wirklich so«, sagte er. »Da wurde ein Verbrechen begangen. Und ich war das Opfer.« Er wies mit dem Daumen auf sich. »Es war Mord. Sie könnten mir wenigstens einen Gefallen tun und im Archiv nachsehen.« Singers sonderbare Mischung aus Naivität und Beharrlichkeit ließ die Luft beinahe knistern.
      Banks schaute ihn nachdenklich an und sah dann zu Susan hinüber, deren Miene ein gewisses Interesse verriet. Da auch Banks schon immer ein neugieriger Mensch gewesen war, ließ er sich zu einer positiven Antwort hinreißen. »Na gut«, meinte er und erhob sich. »Wir sehen uns das mal an. Wo wohnen Sie noch mal, sagten Sie?«
     
     
    * 3
     
    Am Rose and Crown in Fortford, einem weiß gekalkten Gebäude aus dem sechzehnten Jahrhundert, bog Banks rechts ab. Hinter der kleinen Steinbrücke, die über den Fluss führte, hielt er an.
      Es regnete noch immer. Die höher gelegenen grünen Hänge und das Netz aus Trockenmauern waren nicht zu sehen. Lyndgarth, eine Ansammlung von Kalksteincottages rund um eine Kirche und einen kleinen Dorfanger, sah aus wie das Werk eines Impressionisten. Die vom Regen geschwärzte Ruine von Devraulx Abbey auf dem Hügel links von Banks erhob sich über den Bäumen wie eine Szenerie für den Film Camelot.
      Banks kurbelte das Fenster herunter und lauschte dem Regen, der aufs Laub prasselte und auf dem Fluss tanzte. Im Westen sah er den Drumlin, mit dem Jerry Singer so starke Erinnerungen verband.
      Im Regen wirkte der Hügel unheimlich; es fiel nicht schwer, sich vorzustellen, dass er ein Hügelgrab aus grauer Vorzeit war, in dem die Geister von Menschen der Bronzezeit spukten. Aber ein Drumlin ist kein Hügelgrab, sondern eine Endmoräne aus Gletscherschutt. Und Jerry Singer war in seinem letzten Leben kein Mann aus der Bronzezeit gewesen, sondern ein Hippie aus den sechziger Jahren. Zumindest glaubte er das.
      Mit offenem Fenster fuhr Banks durch Lyndgarth und parkte am Ende von Gristhorpes tief gefurchter Einfahrt vor einem gedrungenen Bauernhaus aus Kalkstein. Im Haus saß Gristhorpe am hinteren Fenster und starrte trübsinnig auf einen Steinhaufen und eine zur Hälfte fertige Trockenmauer. Banks wusste, dass der Superintendent sich eine Woche freigenommen hatte, weil er hoffte, an seiner Mauer arbeiten zu können, die ins Nichts führte und nichts schützte. Aber Gristhorpe hatte nicht mit dem Sommerregen gerechnet, der nun schon seit zwei Tagen ununterbrochen vom Himmel fiel.
      Er schenkte Banks eine Tasse Tee ein, die so stark war, dass man einen Löffel hineinstellen konnte, und bot ihm Scones an. Zusammen nahmen sie in Gristhorpes Arbeitszimmer Platz. Trollopes The Vikar of Bullhampton lag als Taschenbuch auf einem kleinen Tisch neben dem abgewetzten braunen Ledersessel.
      »Glauben Sie an Wiedergeburt?«, fragte Banks.
      Gristhorpe dachte kurz nach. »Nein. Warum?«
      Banks berichtete ihm von Jerry Singer. »Ich hätte gerne Ihre Meinung gewusst. Außerdem waren Sie damals hier, oder?«
      Gristhorpes buschige Augenbrauen hoben sich. »1966?«
      »Ja.«
      »Da war ich hier, aber das ist über dreißig Jahre her, Alan. Mein Gedächtnis ist nicht mehr das beste. Außerdem, wieso glauben Sie, dass mehr dahintersteckt als esoterisches Gerede?«
      »Ich weiß nicht, ob mehr dahintersteckt«, erwiderte Banks. Sein Chef war zwar ein toleranter Mensch, dennoch wusste Banks nicht, wie er ihm sein Interesse erklären sollte. Teilweise war es Langeweile und die Abwegigkeit von Singers Behauptung, aber auch die Beharrlichkeit, mit der der Mann sie vortrug. Aber sollte Banks seinem Vorgesetzten etwa sagen, er sei so unterbeschäftigt, dass er nun schon im Übernatürlichen ermittelte? »Der Mann hatte so etwas Argloses«, erklärte er. »Es schien ihm so ernst zu sein, so wichtig.«
      »Den Besten erlahmt der Glaube, und die Schlimmsten sind voll von leidenschaftlicher Hingabe. W.B. Yeats«, entgegnete Gristhorpe.
      »Mag sein. Egal, ich bin jedenfalls später mit Jenny Füller verabredet.« Jenny war eine Psychologin, die schon mehrmals mit der Polizei von Eastvale

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