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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
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jetzt nicht hartherzig klingen, aber gehen Sie da nicht am Wesentlichen vorbei?«
    Wiggins schien überrascht. »Ach ja?«
    »Ja. Wobei das Wesentliche nicht die Evakuierung der Kinder ist, sondern die Tatsache, dass der Bruder dieses Jungen, der vor seinen und seiner Eltern Augen kaltblütig erschossen wurde, vielleicht Kurt Brunner ist? Und dass Kurt Brunner seinerseits vielleicht aus Rache Billy Maples ermordet hat? Verdammt, es ist wie eine griechische Tragödie.«
    Wiggins lehnte sich zurück. »Klingt allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Ich meine, wo ist da der Zusammenhang? Wir haben« – Wiggins begann die Punkte an den Fingern aufzuzählen – »dieses Geständnis oder den Bericht oder was es auch war von dem deutschen Offizier –«
    »General Röhm.«
    »– und man weiß ja auch nicht wirklich, was es ist. Die Quelle ist umstritten.«
    Jury beugte sich vor. »Wollen Sie damit andeuten, Röhm hat es gar nicht geschrieben?«
    »Vor allem, ob es das war, was es schien. Wer weiß, er hätte ja auch ein Buch schreiben können.« Wiggins lachte, schniefte leise und trank seinen Tee.
    Jury ignorierte sein Lachen. »Nehmen wir jetzt mal an, es war das, wofür Oswald Maples es hielt.«
    Wiggins hatte jedoch bloß sein eigenes Konstrukt im Sinn und klappte einen weiteren Finger herunter. »Ah, aber es hätte ja auch sein können, dass gar nicht das drinsteht, was Sir Oswald Maples behauptete. Schließlich können Sie kein Deutsch.«
    »Also, bitte. Maples versucht, mich in eine Falle zu locken oder mich zu verleiten, irgendetwas Bestimmtes zu tun?«
    Wiggins lächelte süffisant. »Denken Sie an Harry Johnson, Sir.«
    Harry Johnson! Jury fragte sich, ob Wiggins sich in puncto Durchtriebenheit etwas bei Harry Johnson abgeschaut hatte. »Ich denke ja an Harry Johnson. An dem Fall bin ich immer noch dran. Aber Sie wollen doch wohl nicht behaupten, Oswald Maples hätte sich die Geschichte ausgedacht, oder?«
    Wiggins, der diese Ereignisse auf seine ganz eigene Art interpretierte, Ereignisse, deren Zeuge er selbst nicht gewesen war, lehnte sich zurück und schaute angelegentlich an die Decke, obwohl es dort oben nichts zu sehen gab. Dann kam seine Hand wieder hoch, der dritte Finger heruntergeklappt. »Was ist, wenn es Sir Oswald selbst war?«
    »Was?«
    »Wer sagt denn, dass er Billy Maples nicht selbst erschossen hat?« Wiggins hielt beide Hände in die Höhe, Jurys Einwände abwehrend. »Bloß ein weiterer Punkt, der in Betracht zu ziehen ist. Wir sollten unsere Fühler in alle Richtungen ausstrecken.«
    »Reden Sie doch keinen Stuss! Ihre Richtung ist in etwa so wahrscheinlich wie ein Mondstrahl zum Mars. Jetzt kommen Sie mal wieder auf die Erde zurück!«
    Wiggins seufzte. »Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Sir, Sie haben bloß ein Manko in diesem Job: Sie wollen sich immer viel zu sehr in Ihre Zeugen einfühlen –«
    »Was denn – ich ? Und das höre ich von Ihnen ? Jedes Mal, wenn ein Verdächtiger auch nur leise niest, schleppen Sie gleich Ihre Würzelchen und Kräutlein und schwarzen Kekse an. Sie ergreifen doch dann Partei für diese Leute.«
    Ohne beleidigt zu sein und in Anbetracht dessen, dass er Jury, den gefühlsduseligen Trottel, in puncto Spottdrossel übertrumpfte, fuhr Wiggins fort: »Es ist doch so: Warum sollte Brunner sich derart kompliziert versteigen, um dieses Maples-Bürschchen zu ermorden?«
    Billy war aber kein Bürschchen, sondern zweiunddreißig. Jury kam der Gedanke, dass er auf alle wie ein junger Kerl wirkte. »Keine Ahnung.«
    Geräuschvoll die Luft zwischen den Zähnen einziehend, sagte Wiggins: »Trotzdem, die Verbindung erscheint mir doch äußerst dürftig. Der SS-Offizier erschießt einen Jungen direkt vor den Augen seiner Familie.« Wiggins nahm den Blick von der Decke und musterte Jury. »Sie sagten, Brunner hätte erzählt, er und Billy seien in diese Kirche nicht weit von Lamb House gegangen.«
    »Ein paar Mal anscheinend.«
    »Brunner ist aber doch Jude, oder?«
    »Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb einer den Glauben seiner Familie über Bord wirft oder einfach mit einem Freund in eine andere Kirche geht. Trotzdem … der Einwand ist berechtigt, Wiggins.« Er überlegte einen Augenblick, stand dann auf, nahm seinen Mantel von dem uralten, wackeligen Kleiderständer und sagte: »Fragen wir ihn doch selbst.«
    Wiggins zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Brunner. Ich will noch einmal mit ihm reden. Und vielleicht können Sie sich noch mal die Köchin zur

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