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Inspektor Jury steht im Regen

Inspektor Jury steht im Regen

Titel: Inspektor Jury steht im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Lucinda. Der Gentleman hinter der Bar, der offensichtlich auf Fliegenjagd mit seinem Handtuch herumfuchtelte, klatschte es so hart gegen den Spiegel, daß ein Stückchen des vergoldeten Rahmens herunterfiel.
    Jurys Angebot, die Drinks zu spendieren, wurde von St. Clair mit einem traurigen Kopfschütteln quittiert. Er habe, sagte er und musterte dabei die drei Gläser vor sich, schon alle irischen Whiskeysorten des Warboysschen Bestandes ausprobiert. Alle seien mangelhaft. Selbstverständlich sage dies nichts über Mr. Warboys aus, sondern nur etwas über die allgemeine Instabilität jenes Landes. Der Hauptunterschied zwischen dem Gastwirt und seinem unglücklichen Gast war, daß der eine ein rundes, rotes und der andere ein trauriges, langes Gesicht hatte. Beiden erschien das Weltende nicht mehr fern.
    Nathan Warboys verlor keine Zeit, Jury davon zu überzeugen, daß er, falls er irgendwelche Heiratspläne habe, sie sofort aufgeben solle. «Nehmen Sie nur meine Sally. Also, glauben Sie nich, daß ich nich weiß, auf was die aus is. Geht jede Nacht aus und takelt sich auf wie ’ne Fregatte. Is ja schon bekannt wie ein bunter Hund.»
    Offensichtlich hatte der Hund dies als einen Ruf an die Front aufgefaßt, denn er raste jetzt durch den Raum und riß sich mit einem mächtigen Knurren St. Clairs Spazierstock zwischen die Zähne. Während er so zerrte und knurrte, verhakte sich der Griff am dünnen Stuhlbein und ließ Tisch und Gläser umstürzen. Nathan Warboys nahm ein Scheit von dem Holz, das aufgestapelt an der Theke lehnte, und ließ es durch die Luft sausen, wobei er Melroses Kopf nur knapp verfehlte. Dann sagte er, es käme gleich jemand, um die Sauerei aufzuwischen.
    Bloß nicht, hoffte Melrose. St. Clair nahm es recht philosophisch, tupfte an seinem Hemd herum und nahm das Gespräch an dem Punkt wieder auf, wo Nathan es abgebrochen hatte. «Natürlich haben Sie recht, Mr. Warboys. Die Ehe kann eine ungemein traurige Angelegenheit sein, wenn ich Ihnen auch nicht zustimmen kann, daß es allein die Schuld der Frau ist. Nein, Schuld haben stets beide. Sicher gibt es Ehefrauen – nicht Ihre, nicht meine, zumindest bisher nicht –, die entsetzlichen Ärger machen. Sehen Sie sich doch nur mal die arme Marion an …»
    «Marion hat nie Ärger gemacht, Daddy.»
    «Sie nicht, nein. Wir wissen von keinerlei Ärger, den sie verursacht hat. Die Tatsache, daß Hugh wegbleibt, muß einen anderen Grund haben, aber darüber sollten wir lieber nicht reden. Der Stoff ist auch nicht mehr, was er mal war. Ich bezweifle, daß dieser Fleck rausgeht.» Er tupfte sich die Krawatte mit dem Handtuch ab. «Ich spreche von dieser Person, deren Ermordung man dem armen David zur Last legt. Was für eine entsetzliche Geschichte.»
    «Haben Sie sie gekannt, Mr. St. Clair?» fragte Jury.
    Nathan Warboys schenkte sich wieder nach: «Von so einer hält man sich besser fern, was.»
    «Nein, ich habe sie nicht gekannt. Gott sei Dank. Aber Lucinda, glaube ich.»
    Als Jury sich an Lucinda wandte, sagte sie: «Ich bin Ivy Childess nur einmal begegnet. Ich kannte sie kaum. Es war auf einer kleinen Party in Knightsbridge.» Eifrig beugte sie sich zu Jury vor und sagte: «David kann das gar nicht getan haben. Es ist einfach nicht seine Art, etwas so – Schreckliches zu tun.»
    Kein Zweifel, daß Plant in bezug auf Lucindas Gefühle für David Marr recht gehabt hatte. Jury fragte sich, wie weit diese Gefühle sie treiben würden. «Dann sind Sie also oft im Winslow-Haus zu Besuch? Kommen Sie manchmal nach London, Miss St. Clair?»
    «Ganz selten», sagte Lucinda.
    «Am besten gar nicht, mein Liebes», sagte ihr Vater. «Und vergiß nicht Edwards Unglück», fuhr St. Clair fort, wobei sich seine sonore Stimme mit dem hohlen Klang der Glocke in der Dorfkirche vermischte, die gerade schlug.
    Warboys, der einen Zahnstocher in seinem Mund herumhüpfen ließ, sagte: «Sie meinen wohl, die Frau von ihm war so ’n richtiges Überraschungsei? Einfach auf und davon, sagt nicht auf Wiedersehn und läßt nie wieder was von sich hörn. Na ja, is lang her. Trotzdem ist das schon ein Ding, wenn eine Frau so reagiert, einfach abhaut ohne ein einziges Wort.» Nathan schien gerade die Vorzüge eines solchen nichtgattinnenhaften Betragens zu überdenken, als seine Frau auftauchte, um lautstark zu verkünden, daß jetzt die Bestellungen fürs Abendessen fällig seien.
    Die St. Clairs verabschiedeten sich. Plant und Jury gingen durch die Diele ins Speisezimmer, während

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