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Inspektor Jury steht im Regen

Inspektor Jury steht im Regen

Titel: Inspektor Jury steht im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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aussah, auch sie im Einklang mit dem, was die Straße ursprünglich einmal sein sollte – eine ausgesprochene Kleinbürgerbastion britischer Nüchternheit.
    Die Frau, die auf Jurys Klopfen hin öffnete, trug einen Flanellbademantel im Farbton von Tür und Zaun und hatte sich ein Handtuch um den Kopf geschlungen, das entweder die Lockenwickler verbergen oder aber ihren Druck beim Schlafen mildern sollte. Ihr Blick war so angespannt wie ihre Sicherheitskette.
    «Mrs. Childess?» Er hielt seinen Dienstausweis vor den zentimeterbreiten Spalt. «Können wir Sie bitte sprechen?»
    Er hatte diesen Blick schon viele Male gesehen, diese Verwirrung und die noch größere Angst. Es erstaunte ihn manchmal, wie ansonsten beschränkte oder sogar stumpfe Gemüter unter gewissen Umständen mit einem unfehlbaren Sprung zu der schlimmstmöglichen aller Schlußfolgerungen gelangten. Die Frau wußte, daß er wegen des Mädchens gekommen war, hatte dieses Wissen jedoch sofort wieder verdrängt.
    Hinter ihr sagte eine schläfrige Stimme: «Wer ist das, Irene?»
    In das ungewisse Schweigen zwischen der Frage des spitzgesichtigen Ehemanns und ihrer Antwort plazierte Jury seine Bitte um Einlaß. Die Tür ging zu, und der Riegel schob sich schabend zurück.
    Als sie eintraten, hob Wiggins grüßend die Finger an den Hut. Der Teil von Jurys Verstand, der ihm die Flucht in Nebensächlichkeiten gestattete, erinnerte ihn jetzt auch daran, daß er einen Hut kaufen mußte; er haßte Hüte. Er stellte sich und seinen Sergeant vor, und der Mann, den die Frau mit Trevor angesprochen hatte, blinzelte und begann sich für die abgelaufene Plakette zu entschuldigen.
    «Es geht nicht um eine Plakette, Mr. Childess. Bedauerlicherweise ist Ihrer Tochter etwas zugestoßen. Sie wurde auf dem Berkeley Square gefunden. Sie ist tot.» Es war unmöglich, einen Menschen auf so etwas vorzubereiten, unmöglich, den Schock zu mildern. Jury hatte immer gefunden, daß Umschreibungen durch Worte wie etwa «Unfall» den Schmerz nur vergrößerten. Sobald man sah, daß der Zusammenstoß unvermeidlich war, wenn der Lastwagen auf einen zuraste, sollte man nicht auch noch zu lange in die Scheinwerfer starren müssen. «Es tut mir furchtbar leid.»
    Weder die Mutter noch der Vater sagte Das ist unmöglich oder Das kann nicht sein oder versuchte, sich dieses Wissen auf irgendeine andere Art vom Leibe zu halten. Vielleicht lag es an dem ernsten Ton von Endgültigkeit in seiner Stimme, vielleicht an seinem Mitgefühl. Mrs. Childess’ dickgeäderte Hände flogen zum Mund, sie schüttelte den Kopf, und die Tränen prasselten herab wie ein Regenguß. Ihr Mann starrte vor sich hin; automatisch hob er den Arm und ließ ihn dann auf ihre Schulter fallen.
    Als sie schließlich in dem kleinen Wohnzimmer saßen, das von Ivy Childess noch zu sehr erfüllt war, um sich in ihm wohl fühlen zu können, wartete Jury ein paar Augenblicke, während sie versuchte, einen weiteren Tränenstrom zu bändigen. Wiggins, der stets einen frischen Vorrat von Taschentüchern bei sich trug, drückte ihr eines in die Hand. Jury stellte in möglichst nüchternem, aber nicht barschem Ton ein paar Routinefragen über Ivy. Zuviel Mitgefühl war häufig schlimmer als gar keins. Als der Vater schließlich fragte, was denn geschehen sei und wo, legte Jury es ihnen so kurz und schonend wie möglich dar. «Es scheint kein größerer Kampf stattgefunden zu haben, und sie muß sofort tot gewesen sein.»
    «Aber wer kann denn so was – unserer Ivy so was angetan haben?» sagte Mrs. Childess zu ihrem Mann, als sei der möglicherweise im Besitz eines geheimen Wissens über Ivy. «Ich versteh das nicht. Ich versteh das einfach nicht.» Sie lehnte den Kopf an die schmächtige Brust ihres Mannes.
    «Deswegen sind wir hier, Mrs. Childess. Wir wollen das herausbekommen. Wenn Sie uns noch eine Weile ertragen können …» Er nickte Wiggins zu, der sich zurechtsetzte und sein Notizbuch aufschlug. «Können Sie uns etwas über ihre Freunde erzählen? Über die Männer vor allem.»
    Trevor Childess wirkte bestürzt. «Nun, ja. Es gab da einen gewissen Marr. Ivy sagte so was, als ob sie gewissermaßen verlobt mit ihm wäre. Marr. Ja, genau, so hieß er, nicht wahr, Irene? David Marr, hat sie gesagt. Eine gute Partie …», und er lächelte kurz, ehe ihm wieder einfiel, daß es jetzt ja gar keine Partie mehr zu machen gab.
    «Wie lang hat Ihre Tochter ihn gekannt?»
    Die Frage schien bei Childess Unbehagen auszulösen. Er

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