Invasion 01 - Der Aufmarsch
wanderte von der Decke zurück, suchte den ihren und dann schüttelte er den Kopf.
»Was auch immer die von mir wollen, es sind ganz bestimmt nicht meine Muskeln sondern das, was ich im Kopf habe. Und manchmal, na ja, da geht mir schon durch den Kopf, ob ich mich als Kompaniechef in der Zweiundachtzigsten ein wenig … wichtiger, nützlicher fühlen würde. Ich weiß auch nicht, das wäre ein wenig mehr, als für die viertgrößte Bank des Landes eine Killer-Webpage zu entwickeln.« Er legte ein Stück Hühnchenbrust in Kräutern und Knoblauch auf die reichliche Portion Fettuccine und hielt ihr den Teller hin.
Sie schüttelte den Kopf, verstand seine Argumentation zwar intellektuell, war aber immer noch alles andere als zufrieden. »Musst du heute Abend schon weg?«
Sie nahm ihm den Teller ab und musterte ihn mit demselben Argwohn wie den Wein. Ein wenig Alkohol und komplexe Kohlehydrate, um ein hysterisch gewordenes Muttchen zu beruhigen. Unglücklicherweise wusste sie, dass sie sich augenblicklich genauso verhielt. Er war sehr wohl mit ihrer automatischen Reaktion auf alles, was Militär hieß, vertraut und bemühte sich das auszugleichen, bemühte sich mächtig.
»Nein, ich muss Montag früh in McPherson sein. Und McPherson ist ja schließlich nicht hinter dem Mond.« Er nahm sich einen Lappen und wischte einen imaginären Flecken von der grauen Arbeitsplatte. Plötzlich glaubte er Licht am Ende des Tunnels zu sehen, doch wenn Sharon auf dem Kriegspfad war, konnte dieses Licht ebenso gut ein Schnellzug sein, der auf ihn zugerast kam.
»Nein, aber wenn du glaubst, dass ich mit den Kindern nach Süd-Atlanta gehe, dann hast du dich verrechnet«, erwiderte sie und wusste, dass sie damit den Rückzug angetreten hatte. Sie spürte, dass das eine kritische Auseinandersetzung war, und fragte sich, was wohl passieren würde, wenn sie jetzt von ihm verlangte, sich zwischen ihr und der Army zu entscheiden. Das war nicht das erste Mal, dass sie sich insgeheim diese Frage gestellt hatte, aber weiter war es bisher nie gekommen. Und jetzt hatte sie Angst davor. Was sie wirklich wütend machte war, dass sie ihre eigenen Gefühle sehr gut verstand und wusste, dass sie Unrecht hatte. Was sie selbst erlebt hatte, hatte sie gegen eine Karriere beim Militär vergiftet, aber keineswegs gegen den Ruf des Vaterlandes, wie es so pathetisch hieß. Und deshalb fragte sie sich, wie sie wohl in Mikes Lage reagieren würde, wenn man sie vor dieselbe Entscheidung gestellt hätte.
»Hey, vielleicht kann ich abends immer nach Hause kommen. Und vielleicht dauert es auch nicht lange«, sagte Mike mit einem lockeren Achselzucken und rieb sich das Kinn. Es klang wie ein Reibeisen, denn sein kräftiger, schwarzer Bartwuchs hatte bereits einen respektablen Fünf-Uhr-Schatten auf seine Wangen gezaubert.
»Aber du nimmst das nicht an«, konterte sie.
»Nein, wahrscheinlich nicht«, nickte er ernst.
»Warum?« Sie setzte sich an den Küchentisch und schnitt ein Stück von dem Hühnchen ab. Es war perfekt zubereitet, köstlich wie immer. Trotzdem schmeckte es für sie wie Sand.
»Na ja … das sagt mir einfach mein Gefühl.« Mike fing jetzt an sich selbst aufzulegen. Auf solche Köstlichkeiten würde er wahrscheinlich in naher Zukunft verzichten müssen.
»Aber das Wochenende haben wir doch?«, fragte sie und nahm einen Schluck Wein, um den köstlichen Happen hinunterzuspülen. Ihr Mund fühlte sich plötzlich ganz trocken an.
»Ja.«
»Na schön, dann wollen wir uns dafür etwas einfallen lassen.« Ihr Lächeln war schwach, aber immerhin war es ein Lächeln.
»Dürfte ich bitte Ihren Ausweis sehen? Führerschein?« Und dafür stehe ich mitten in der Nacht auf! Die Fahrtzeit von seinem Haus im Vorgebirgsland von Georgia nach Fort McPherson, Georgia, der Kommandozentrale der Army, betrug drei Stunden. Hinter den grünen Rasenflächen und einer ganzen Anzahl von Ziegelbauten am Rande der Interstate 75/85 verbargen sich eine Menge von Sicherheitsbauten. Da es sich bei diesem Komplex um die Kommandozentrale sämtlicher Streitkräfte der Army handelte, waren die Sicherheitseinrichtungen der Konferenzsäle allererster Klasse, aber die Presse merkte das kaum. Wenn in Fort Meyers, Virginia, oder auf dem Nellis Luftwaffenstützpunkt plötzlich eine größere Zahl von Militärpersonal auftauchte, würde man das bemerken; Orte wie diese wurden sorgfältig beobachtet, nicht aber Fort McPherson. Der nächstgelegene Flughafen war Hartsfield, Atlanta, der
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