Invasion 01 - Der Aufmarsch
stetig nach oben zu arbeiten. Vor kurzem hatte man sogar sein Gehalt erhöht, ohne dass er darum gebeten hatte. Das war eine gewaltige Überraschung für ihn gewesen, und man munkelte sogar, er könne möglicherweise mit weiteren Beförderungen rechnen. Das Büro, das ihm die neue Position eingetragen hatte, war nichts Besonderes; der Platz reichte kaum aus für eine volle Drehung seines Drehsessels, außerdem befand sich das Büro unmittelbar neben dem Pausenraum und war deshalb mehrmals täglich vom Geruch frischen Popcorns erfüllt. Um seine Fachbücher unterzubringen, hatte er ein Hängeregal anbringen müssen. Aber es war immerhin ein Büro, und das war im Zeitalter der verglasten vier Quadratmeter-Kabuffs schon ein großer Fortschritt. Irgendjemand im Hintergrund bereitete ihn offenbar auf etwas vor, und er konnte nur hoffen, dass es sich bei diesem Etwas nicht um eine Guillotine handelte. Doch das war unwahrscheinlich. Er war der Typ des aggressiven, lästigen Querdenkers, den jede Firma insgeheim dringend brauchte.
Im Augenblick war er stinksauer. Die aufgeblasenen Applets auf der Site ihres neuesten Kunden machten die Website so langsam, dass man es kaum erwarten konnte, bis sie sich aufgebaut hatte. Unglücklicherweise bestand der Kunde aber auf den »winzigen« Codes, die einen so großen Teil ihrer Bandbreite beanspruchten, dass er keine andere Wahl hatte, als sich eine schlaue Lösung einfallen zu lassen, damit es trotzdem schneller ging.
Er saß gerade an seinem Schreibtisch, die Füße auf dem Stapel von Büchern und Ausdrucken, die darauf lagen, öffnete und schloss die linke Hand rhythmisch über einem Torsionsübungsgerät, starrte das Poster an der Decke seines Büros an und dachte an seinen nächsten Urlaub. Noch zwei Wochen, dann würde es für ihn nur blaue Wellen, kaltes Bier und Korallenriffs geben. Ich hätte zu den SEALs gehen sollen , dachte er, das Gesicht vom ständigen Gewichtheben gerunzelt, und Surfinstruktor werden sollen. Sharon sieht im Bikini klasse aus.
Er hatte gerade einen Schluck abgestandenen, kalten Kaffee zu sich genommen und in Urlaubsträumen geschwelgt, als sein Telefon klingelte.
»Michael O'Neal, Web-Design, was kann ich für Sie tun?« Der Griff nach dem Telefon und die eingedrillte Meldung kamen, ehe sein Vorderhirn sich einschaltete. Als er dann die Stimme des Anrufers erkannte, hätte er beinahe seinen Kaffee ausgespuckt.
»Hi, Mike, ich bin's, Jack.«
Seine Füße krachten auf den Boden und gleich danach kam XML for Dummies . »Guten Morgen, Sir, wie geht es Ihnen?« Seit er das letzte Mal mit seinem alten Chef gesprochen hatte, waren fast zwei Jahre vergangen.
»Kann mich nicht beklagen, Mike. Ich brauche Sie Montag früh in McPherson.«
»Was? Sir, ich bin jetzt seit acht Jahren draußen. Ich hab mich vom Militär verabschiedet.« Ein beinahe Pavlowscher Reflex ließ ihn gleichzeitig in Gedanken bereits eine Liste von allem aufstellen, was er würde mitnehmen müssen.
»Ich habe gerade mit dem Präsidenten Ihrer Firma gesprochen. Das ist augenblicklich keine offizielle Einberufung …«
Die versteckte Drohung gefällt mir wirklich, Boss , dachte Mike.
»Aber ich habe selbstverständlich darauf hingewiesen, dass Sie gemäß der Soldaten- und Matrosenakte jederzeit zur Verfügung …«
Wieder mal echt Jack. Vielen Dank auch, Ex-Boss.
»Er schien darin kein Problem zu sehen. Ich habe nur den Eindruck, dass er Sie im Augenblick nicht sonderlich gut entbehren kann. Ihre Firma hat offenbar gerade einen neuen Auftrag bekommen, und es scheint ihm sehr wichtig zu sein, dass Sie den bearbeiten …«
Ja! , feixte Mike stumm. Wir haben den ersten Upgrade von Onion bekommen! Fast ein Jahr lang hatte die Firma sich um den lukrativen Vertrag bemüht.
»Aber ich konnte ihn überzeugen, dass es so am besten ist«, fuhr der General fort. Mike konnte hören, dass im Hintergrund gesprochen wurde, teils sogar mit erhobener Stimme, es klang ganz so, als würde der General aus einer Telefon-Werbefirma anrufen. Oder einige seiner Kollegen führten gerade ähnliche Gespräche. Wenn man genauer hinhörte, klangen einige der gedämpften Stimmen im Hintergrund beinahe verzweifelt.
»Worum geht es denn, Sir?«
Keine Antwort. Im Hintergrund fing eine Männerstimme zu schreien an, offensichtlich war ihr Besitzer mit der Reaktion auf seinen Anruf unzufrieden.
»Lassen Sie mich raten. Sicherheitsvorschriften?« Eine Antwort auf diese Frage würde ebenfalls die
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