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Irrungen, Wirrungen

Irrungen, Wirrungen

Titel: Irrungen, Wirrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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haben...«
    Und ehe sich Frau Dörr zwischen Punsch und Tee entscheiden konnte, war auch die Kirschwasserflasche schon da, mit Gläsern, großen und kleinen, in die sich nun jeder nach Gutdünken hineintat. Und nun ging Lene, den rußigen Herdkessel in der Hand, reihum und goß das kochsprudelnde Wasser ein. »Nicht zuviel, Leneken, nicht zuviel. Immer aufs Ganze. Wasser nimmt die Kraft.« Und im Nu füllte sich der Raum mit dem aufsteigenden Kirschmandelarom.
    »Ah, das hast du gut gemacht«, sagte Botho, während er aus dem Glase nippte. »Weiß es Gott, ich habe gestern nichts gehabt und heute im Club erst recht nicht, was mir so geschmeckt hätte. Hoch Lene! Das eigentliche Verdienst in der Sache hat aber doch unsere Freundin, Frau Dörr, ›weil's ihr so geschuddert hat‹, und so bring ich denn gleich noch eine zweite Gesundheit aus: Frau Dörr, sie lebe hoch.«
    »Sie lebe hoch«, riefen alle durcheinander, und der alte Dörr schlug wieder mit seinem Knöchel ans Brett.
    Alle fanden, daß es ein feines Getränk sei, viel feiner als Punschextrakt, der im Sommer immer nach bittrer Zitrone schmecke, weil es meistens alte Flaschen seien, die schon, von Fastnacht an, im Ladenfenster in der grellen Sonne gestanden hätten. Kirschwasser aber, das sei was Gesundes und nie verdorben, und ehe man sich mit dem Bittermandelgift vergifte, da müßte man doch schon was Ordentliches einnehmen, wenigstens eine Flasche.
    Diese Bemerkung machte Frau Dörr, und der Alte, der es nicht darauf ankommen lassen wollte, vielleicht weil er diese hervorragendste Passion seiner Frau kannte, drang auf Aufbruch: »Morgen sei auch noch ein Tag.«
    Botho und Lene redeten zu, doch noch zu bleiben. Aber die gute Frau Dörr, die wohl wußte, »daß man zuzeiten nachgeben müsse, wenn man die Herrschaft behalten wolle«, sagte nur: »Laß, Leneken, ich kenn ihn; er geht nu mal mit die Hühner zu Bett.« – »Nun«, sagte Botho, »wenn es beschlossen ist, ist es beschlossen. Aber dann begleiten wir die Familie Dörr bis an ihr Haus.«
    Und damit brachen alle auf und ließen nur die alte Frau Nimptsch zurück, die den Abgehenden freundlich und kopfnickend nachsah und dann aufstand und sich in den Großvaterstuhl setzte.
     
Fünftes Kapitel
     
    Vor dem »Schloß« mit dem grün und rot gestrichenen Turme machten Botho und Lene halt und baten Dörr in aller Förmlichkeit um Erlaubnis, noch in den Garten gehn und eine halbe Stunde darin promenieren zu dürfen. Der Abend sei so schön. Vater Dörr brummelte, daß er sein Eigentum in keinem beßren Schutz lassen könne, worauf das junge Paar unter artigen Verbeugungen Abschied nahm und auf den Garten zuschritt. Alles war schon zur Ruh, und nur Sultan, an dem sie vorbei mußten, richtete sich hoch auf und winselte so lange, bis ihn Lene gestreichelt hatte. Dann erst kroch er wieder in seine Hütte zurück.
    Drinnen im Garten war alles Duft und Frische, denn, den ganzen Hauptweg hinauf, zwischen den Johannis- und Stachelbeersträuchern, standen Levkojen und Reseda, deren feiner Duft sich mit dem kräftigeren der Thymianbeete mischte. Nichts regte sich in den Bäumen, und nur Leuchtkäfer schwirrten durch die Luft.
    Lene hatte sich in Bothos Arm gehängt und schritt mit ihm auf das Ende des Gartens zu, wo, zwischen zwei Silberpappeln, eine Bank stand.
    »Wollen wir uns setzen?«
    »Nein«, sagte Lene, »nicht jetzt«, und bog in einen Seitenweg ein, dessen hochstehende Himbeerbüsche fast über den Gartenzaun hinauswuchsen. »Ich gehe so gern an deinem Arm. Erzähle mir etwas. Aber etwas recht Hübsches. Oder frage.«
    »Gut. Ist es dir recht, wenn ich mit den Dörrs anfange?«
    »Meinetwegen.«
    »Ein sonderbares Paar. Und dabei, glaub ich, glücklich. Er muß tun, was sie will, und ist doch um vieles klüger.«
    »Ja«, sagte Lene, »klüger ist er, aber auch geizig und hartherzig, und das macht ihn gefügig, weil er beständig ein schlechtes Gewissen hat. Sie sieht ihm scharf auf die Finger und leidet es nicht, wenn er jemand übervorteilen will. Und das ist es, wovor er Furcht hat und was ihn nachgiebig macht.«
    »Und weiter nichts?«
    »Vielleicht auch noch Liebe, so sonderbar es klingt. Das heißt Liebe von seiner Seite. Denn trotz seiner sechsundfünfzig oder mehr ist er noch wie vernarrt in seine Frau, und bloß weil sie so groß ist. Beide haben mir die wunderlichsten Geständnisse darüber gemacht. Ich bekenne dir offen, mein Geschmack wäre sie nicht.«
    »Da hast du aber unrecht, Lene; sie

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