Irsud
1
In einem weiter werdenden Kreis durch den dunklen Wirrwarr jagend, der in schmutzigen Schneegestöbern brodelte, flatterte ihr Bewußtsein auf ein punktförmiges Licht zu; Kälte fuhr in zwei Arme, zwei Beine, die von einem Rumpf ausgestreckt waren, der nackt auf nacktem Metall zitterte. Aleytys öffnete die Augen.
Ein schmales Gesicht mit runden Insektenaugen in Teetassengröße hing verschwommen über ihr und spiegelte ihren Körper wie ein doppeltes Dutzend achteckiger schwarzer Spiegel wider. „Kipu.“ Aleytys zerrte an den Fesseln an ihren Armen; eine zunehmende Verärgerung erhitzte ihr Blut. „Was …“ Sie zerrte wieder, heftiger. „Laßt mich gehen.“
Die Kipu lächelte, schüttelte den Kopf; kurze, stummelartige Fühler zuckten leicht. Mit einem ärgerlichen Schnauben ruckte Aleytys gegen die drahtige Stärke der sechsfingrigen Hände der Wächterin. Vergebens mühte sie sich ab, sich zu befreien; bittere Tränen der Verzweiflung quollen aus ihren geschwollenen Augen, keuchend und knurrend kämpfte sie eine Schlacht gegen eine Stärke, die ihre Muskeln albern erscheinen ließ. Sie krümmte ihren Körper zu einem letzten, krampfhaften Stoß zur Freiheit hin, fiel dann auf den Metalltisch zurück und knurrte das schwach lächelnde Gesicht an, das kühl darauf wartete, daß sie sich verausgabte. Die Nayid kam zurück und stand hoch aufragend über ihr.
„Eine Übung in Sinnlosigkeit.“ Die volle, tiefe Stimme war unerträglich selbstgefällig.
Hilflos keuchend, tobend wie ein Tars im Netz, blickte Aleytys finster auf das zarte, maskenhafte Gesicht der Kipu; sie wollte diese Maske zerschlagen. Auf dem kühlen Metall krümmten sich ihre Hände zu Klauen, Fingernägel rasselten rauh gegen den Stahl. „Ungeziefer!“ kreischte sie, dann spuckte sie der Nayid mitten ins Gesicht.
Die Kipu trat ohne ein Wort zurück und streckte eine Hand aus. Hastig stieß eine weißgekleidete, weibliche Nayid, die hinter ihr schwebte, ein Rechteck aus Stoff in die gebieterischen Finger. Die Kipu wischte ihr Gesicht ab und ließ das Tuch mit einer unbewußten Arroganz, die ein Frösteln durch die Hitze in Aleytys’ Blut jagte, fallen.
Aleytys schüttelte den Kopf, warf das rote Haar herum, zur Wachsamkeit abgekühlt. Ihr Atem verlangsamte sich, und sie war sich plötzlich einer Verschwommenheit bewußt, die ihren Verstand behinderte. Sie schüttelte wieder den Kopf, versuchte, den Nebel herauszuschütteln.
Die Fühler der Nayid zuckten, als ein schwaches Erröten kurz ihre pergamentenen Wangen färbte. Sie starrte kurz auf Aleytys hinunter, verlagerte dann ihren Blick, weigerte sich, ihre Gefangene anzusehen. Sie sprach mit einer anderen Nayid, einer außerhalb Aleytys’ Blickwinkel, und sagte barsch: „Der PSI-Dämpfer?“
„Wirkt, Rab’Kipu.“ Das kühle Monotone schien die rohen Emotionen der Kipu zu besänftigen. Ihr Gesicht glättete sich, das schwache, hochnäsige Lächeln schürzte ihre dünnen Lippen, die Hände kamen zusammen und wischten mit einem leisen, papierenen Flüstern leicht mit den Innenseiten aneinander.
„Gut.“ Das Wort strahlte Zufriedenheit aus und ließ einen winzigen Schock erinnerter Reaktion bebend durch Aleytys’ Körper hinunterrieseln. Fühler schwankten in sanftem Rhythmus, der die neuerliche Arroganz in ihrer Haltung unterstrich; die Kipu sprach leise mit Aleytys: „Dem Arduepesh I!kuk zufolge ist das Maß deiner Intelligenz überragend.“ Die tiefe Stimme wurde kalt exakt. „Ich schlage vor, du wendest diese Intelligenz auf deine gegenwärtige Situation an. Ich schlage vor, du hörst mit diesen nutzlosen Gesten auf, Ardana.“
Aleytys versteifte sich. „Ich bin keine Sklavin. Nenn mich nicht Sklavin.“
„Ardana“, wiederholte die Kipu ruhig. „Ardana.“
Aleytys starrte sie an. Nach einem Moment entspannte sich ihr Körper. Die Kipu nickte leicht, und die Wächterinnen ließen die Gefangene sich zum ersten Mal frei bewegen.
„Zeigt sie mir.“ Die heisere Baßstimme dröhnte hinter hauchdünnen Vorhängen hinter der Kipu hervor. Aleytys stieß sich hoch und schwang ihre Beine über den Rand des Metalltisches. Einen flüchtigen Augenblick lang kippte ihr Geist schwindelerregend. Sie atmete tief ein und gab neugierig acht.
Die Vorhänge fielen von einem Mittelpunkt an der Decke herunter, dort festgehalten von einem goldenen, bienenartigen Insekt, das Flügel und Beine gegen die Mitte eines Blumenmosaiks gespreizt hatte, das sich darüber in einer
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