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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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weggelaufen bist.«
    Alina stößt ein kleines, mitleidiges Lachen aus und Paul springt erschocken von ihrem Schoß. »Ich war nicht mehr dreizehn, Waldschrat, das kannst du mir glauben.«
    Ich glaube ihr. Auch in ihrem Inneren ist Alina nicht mehr die, die ich einmal kannte. Was ihr in den vergangenen fünf Jahren widerfahren war, hat sie zu einem anderen Menschen gemacht.
    Alina erzählt mir, dass Grimmer den Tod seiner Schwester Reni nie verwunden hat. »Sie war ein kleiner blonder Engel, der die Farbe Rosa liebte und an Feen glaubte. Er nannte sie seine Zimtprinzessin, weil sie für ihr Leben gern Zimtschnecken aß. Ich musste auch Zimtschnecken essen, Jola, jeden Tag. Schon beim leisesten Anflug von Zimtduft raste ich aus. Weihnachten ist meine ganz persönliche Hölle.« Sie trinkt einen Schluck von ihrer Limonade und lässt sich wieder in den Gartenstuhl zurücksinken. »Es war Grimmers Schuld, dass Reni im Badesee ertrank. Er sollte auf sie aufpassen an diesem Tag. All die Jahre hat er an nichts anderes gedacht, als sie sich zurückzuholen, koste es, was es wolle. Jeden Tag hat er mir die die Haare gekämmt und sie zu Zöpfen geflochten, wie seine kleine Schwester welche hatte.« Alina schnippt die Asche ihrer Zigarette ins Gras. »Ich werde nie wieder blond sein.«
    Ich erfahre, dass sie am heutigen Morgen im Radio von Ellis und meinem Verschwinden berichtet haben. Alina hat es gehört und auf der Stelle die Polizei angerufen.
    Â»Und was wird jetzt aus dir?«
    Alina hebt die Schultern. »Mein Vater will, dass ich bei ihm wohne. Aber Caroline und Lasse, ich glaube, das ist ein bisschen viel auf einmal für mich. Außerdem ist Familie langweilig. Meine Freunde sind in Erfurt. Vielleicht ziehe ich zu meiner Mutter, hole die Schule nach.« Wieder zuckt sie mit den Achseln, als ob ihr das alles nicht sonderlich verlockend vorkommt.
    Â»Ich habe dich so vermisst, Waldfee«, sage ich lächelnd.
    Â»Ich dich auch, Waldschrat.« Doch Alina lächelt nicht.
    Um Mitternacht liege ich immer noch wach und schaue durch das Dachfenster in den Sternenhimmel. Als eine Sternschnuppe fällt, schließe ich die Augen und wünsche mir, dass alles gut wird. Für Olek und mich, für die Wölfin und ihre Jungen. Ich weiß, dass ist viel verlangt, denn rein statistisch ist schon viel zu viel gut gegangen.
    Alina ist auferstanden von den Toten, was an ein Wunder grenzt. Elli ist wohlauf, Olek lebt, ich lebe. Ist es vermessen, noch mehr zu verlangen?
    Am darauffolgenden Vormittag werden Tomasz Kaminskis sterbliche Überreste in einer unauffälligen Aktion aus der Höhle auf dem Tambuch geholt und in die Rechtsmedizin nach Erfurt gebracht. Kein Fernsehen, keine Presse, nur Polizei und Bundeswehr, Agnes, Pa und ich. Bei dieser Gelegenheit informiert mein Vater den Kommandanten über den Standort der Wolfshöhle und bittet darum, dass das Gebiet von den Soldaten weiträumig gemieden wird. Obwohl ich mir immer gewünscht hatte, dass die Bundeswehr den Truppenübungsplatz räumt, bin ich erleichtert, als ich von Pa höre, dass das Areal in einen Standortübungsplatz umgewandelt werden soll. Denn das bedeutet: weniger Geballer, aber das militärische Sperrgebiet bleibt. Die Wölfin hat also gute Chancen, ihren Nachwuchs in Ruhe aufzuziehen.
    Oleks Höhle wird geräumt und die Sachen werden zurück ins Dorf gebracht, wo jeder sich holen kann, was ihm gehört. Beide Höhleneingänge werden versiegelt.
    Man hat Olek aus dem Krankenhaus entlassen und endlich stimmt, was er mir bei unserer ersten Begegnung gesagt hat: Er ist zu Besuch bei seiner Oma – die ja eigentlich seine Tante ist.
    Gerade hat Agnes mich angerufen. Ich soll zu ihr kommen, Olek will mich sehen. Er traut sich nicht, mich zu Hause zu besuchen. Na ja, das stimmt nicht ganz. Er hat bloß Schiss vor dem Haupteingang und davor, meinen Eltern zu begegnen.
    Ich mache mich gleich auf den Weg. Doch bevor ich Olek wiedersehe, will ich Kai einen Besuch abstatten. Denn ich habe etwas, dass ich ihm zurückgeben will.
    Als ich in die offene Einfahrt der Hartungs biege, erblicke ich Kai, wie er mit Elli auf dem Rücken über den gepflasterten Hof trabt und wiehert wie ein Pferd. Elli klammert sich an seinen Hals, sie kreischt vor Lachen.
    Als sie mich sieht, ruft sie laut: »Jola, Jola.«
    Kai hält inne und hebt den Kopf.
    Â»Hallo, Elli.« Ich winke

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