Ivanhoe
sprachen die Knappen ihren Dank für eine so seltene Freigebigkeit aus, und der Enterbte wandte sich nun an den Knappen des Bois-Guilbert.
»Von Euerm Herrn,« sagte er, »nehm ich weder die Waffen noch ein Lösegeld an. Bestellt Euerm Herrn, unser Zweikampf sei noch nicht beendet, und wir müßten erst noch mit Schwert und mit Lanze, zu Roß und zu Fuß miteinander fechten. Zum Kampfe auf Leben und Tod hat er mich herausgefordert, und des werde ich eingedenk sein. Einstweilen sagt ihm, ich behandelte ihn nicht wie seine Gefährten, mit denen ich Höflichkeiten tauschte, sondern ich stünde mit ihm auf dem Fuße tödlicher Herausforderung.«
»Mein Herr,« antwortete der Knappe, »weiß nicht nur Höflichkeit mit Höflichkeit zu erwidern, sondern auch Haß mit Haß und Stoß mit Stoß. Ihr verschmäht es, ein Lösegeld von ihm zu nehmen, ich muß aber gleichwohl Pferd und Rüstung hierlassen, denn an beide wird er die Hand nicht mehr legen.«
»Gut und kühn gesprochen, wackerer Knappe,« erwiderte der enterbte Ritter. »So geziemt es sich, für den abwesenden Herrn zu reden. Doch laß nur Pferd und Rüstung nicht hier, sondern gib sie deinem Herrn wieder, und wenn er sie nicht haben will, so nimm du sie selber, mein braver Freund, soweit sie mir gehören, sind sie dir geschenkt.«
Balduin verneigte sich tief und ging mit seinen Gefährten ab, der Enterbte trat in sein Zelt zurück. »Gurth,« sagte er zu seinem Diener, »bis hierher habe ich der englischen Ritterschaft keine Schande gemacht.«
»Und ich für mein Teil,« antwortete Gurth, »hab ich nicht als sächsischer Schweinehirt meine Rolle als normännischer Schildknappe fein gespielt?«
»Jawohl,« versetzte der Ritter. »Ich habe nur fortwährend Angst gehabt, daß du dich durch dein bäuerisches Wesen verraten könntest.«
»Ich hatte gar keine Angst, daß mich jemand erkennen könnte,« sagte Gurth. »Nur vor meinem Kameraden Wamba ist mir bange gewesen. Mir ist überhaupt noch nie so recht klar geworden, was der mehr ist, Schelm oder Narr. Als mein alter Herr an mir vorüberging und all die Zeit in der Gewißheit war, daß Gurth in den Sümpfen und Wäldern von Rotherwood seine Schweine hüte, da hab ich kaum das Lachen verbeißen können.«
»Du weißt, was ich dir versprochen habe,« sagte der Ritter.
»Das ist das wenigste,« antwortete Gurth. »Aus Furcht vor Schlägen werd ich nie meinen gütigen Herrn verlassen. Ich hab'n dickes Fell. Das hält so gut die Peitsche aus, wie nur irgend'n Eber in meiner Herde.«
»Verlaß dich darauf, ich vergelte dir alles, was du aus Liebe zu mir wagst,« sagte der Ritter. »Inzwischen nimm hier diese zehn Goldstücke an.«
»Nu bin ich reicher als irgend'n Schweinehirt oder Leibeigener,« rief Gurth, das Geld in seinen Beutel steckend.
»Und hier diesen Beutel voll Gold,« sagte der Ritter weiter, »nimm mit nach Ashby, suche Isaak den Juden von York auf und sag ihm, er solle dies als Leihgeld für sein Pferd und seine Rüstung annehmen. Er hat mir durch seinen Kredit beides verschafft.«
Gurth steckte den Beutel zu sich und ging hinaus.
»Es wird freilich schwer halten,« sagte er vor sich hin. »Aber ich will doch versuchen, ob er sich mit'm Viertel seiner Forderung begnügt.«
Achtes Kapitel.
Im Landhause eines reichen Juden in Ashby wohnten Isaak und seine Tochter mit ihrer Dienerschaft, denn die Juden sind bekanntlich untereinander ebenso gastfreundlich und freigebig, wie gegen andere widerspenstig und ungefällig. In einem kleinen aber nach orientalischem Geschmack reich ausgestatteten Gemach saß Rebekka auf einer gestickten Polsterbank, die an Stelle von Sesseln und Stühlen an den Wänden entlanglief. Sie sah ihrem Vater nach, der niedergeschlagen und unruhig hin und wieder ging und ab und zu die Augen zur Decke emporschlug wie einer, der unter großer Trübsal leidet. »O Jakob!« jammerte er, »o alle Ihr heiligen zwölf Väter unseres Stammes! Was für ein Schlag für einen Mann, der erfüllt hat die Gebote Mosis bis aufs Jota, bis aufs Titelchen! Fünfzig Zechinen mir geraubt mit einem Griffe von der Hand des Tyrannen!«
»Ihr scheint aber doch dem Prinzen das Geld gutwillig zu geben, Vater,« sagte Rebekka.
»Gutwillig! Der Fluch Ägyptens über ihn! – Gutwillig sagst du? Genau so gutwillig, wie ich im Golf von Lyon meine Waren aus dem Schiffe warf, daß es leichter würde im Sturme. Da hab ich die brandenden Wellen gekleidet in meine köstlichen Seidenstoffe, das Salzwasser habe
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